Endlich wieder harte Hunde!

Bei Höcke verpönt, aktuell wieder hip? Warum sich prügelnde Männer wieder Zuspruch bekommen – nicht nur von rechts. Claudia Wallner kommentiert.

„Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken, denn nur wenn wir unsere Männlichkeit wiederentdecken, werden wir mannhaft. Und nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft. Und wir müssen wehrhaft werden liebe Freunde.“

Als Bernd Höcke diese Sätze am 18.5.2015 auf einer Kundgebung in Erfurt heraus schrie, gab es in den Medien (zu Recht) einen großen (Gegen)Aufschrei. Höcke vertiefte seine Position zu Männlichkeiten dann im 2018 erschienen Buch „Nie zweimal in denselben Fluß : Björn Höcke im Gespräch mit Sebastian Hennig“, aus dem die taz folgende Passagen dem Sinn nach zitierte:

„Die Misere unserer Gegenwart sei, dass es heute nicht mehr genügend „zupackende“ Männer“ gebe, die sich jenseits von Beruf, Familie und Urlaub für ihr Land einsetzen würden (S. 112). Heute seien Männer aufgrund ihres „verkümmerten männlichen Selbstbewusstseins“ identitätsgestört, 80% seien Weicheier und 10% „verkrampfte Machos“, die Opfer einer „großen Verschwulung“ geworden seien.“ … „Wehrhaftigkeit, Weisheit und Führung beim Mann – Intuition, Sanftmut und Hingabe bei der Frau.“ (S. 115).https://blogs.taz.de/zeitlupe/2019/03/24/die-auferstehung-des-wehrhaften-mannes/

Die taz kritisierte damals an dem Geschlechterbild von Höcke u.a., dass er seinen Antifeminismus mit den alten Männlichkeitsbildern von Wehrhaftigeit und Mannhaftigkeit verbinde. Zurück zum richtigen harten Mann, darüber gab es außerhalb rechter und rechtskonservativer Kreise Einigkeit, ist kein Konzept für die Zukunft!

März 2022:
Bei der Oscar Verleihung zieht der Moderator und Comedian Chris Rock eine Parallele zwischen dem haarlosen Kopf von Jada Pinkett Smith, Ehefrau von Will Smith und dem Film G.I. Jane von 1997, in dem Demie Moore mit kahlrasiertem Kopf spielte. Nur, dass Jada Pinkett Smith krankheitsbedingt keine Kopfhaare hat. Sie darauf anzusprechen darf als mindestens geschmacklos gelten. Will Smith lacht zunächst, dann geht er Richtung Bühne und schlägt Chris Rock mit voller Wucht ins Gesicht. Rock lacht, Smith flucht und die Gala geht weiter https://youtu.be/iJtws119OCk.
Im Sat1 Frühstücksfernsehen werden daraufhin Prominente (u.a. Nathalie Wörner und Jasmin Wagner) dazu befragt und äußern ihr Verständnis für den Schlag, immerhin wäre die Ehefrau ja beleidigt worden. Auch, wenn es ebenso gegenteilige Stimmen gibt, scheint die Befürwortung männlicher körperlicher Gewalt auf einmal kein Imageproblem mehr zu sein und Frauen nicht in der Lage, sich selbst zu wehren. Tage später meldet sich übrigens Will Smith selbst und erklärt sein Verhalten als daneben und falsch – „es sei ihm peinlich, schreibt Smith. Sein Verhalten spiegele nicht wider, welche Art Mann er sein wolle. »In einer Welt der Liebe und Freundlichkeit ist kein Platz für Gewalt.«“ https://www.spiegel.de/kultur/kino/will-smith-ueber-ohrfeige-fuer-chris-rock-bei-oscars-2022-inakzeptabel-und-unentschuldbar-a-f6acc81c-a5d8-49c3-b936-6069bf55accf

In der Dortmunder Westfalenhalle tritt Felix Sturm zum Weltmeisterschaftsboxkampf an. In der ersten Reihe: Oliver Pocher. Plötzlich tritt ein Mann, der sich auf Instagram Fat Comedy nennt, auf Pocher zu und schlägt ihm so heftig ins Gesicht, dass Pochers ganzer Oberkörper zur Seite auf den neben ihm frei stehenden Stuhl kippt. In der Folge ist zu sehen, dass Pocher die Security ruft und flüchtet, während der Angreifer nicht mal fixiert wird, Pocher noch nachgeht und nachruft und der Angreifer jemand dabei hat, der die Szene komplett filmt, woraufhin sie auf diversen Social Media Kanälen veröffentlicht wird.Auch hier scheint das Schlagen eine gewisse Akzeptanz zu genießen, nicht nur im Ring https://youtu.be/QW5gCSpebY0.

Der Spiegel veröffentlicht Ende März einen Artikel mit dem Titel: „Männlichkeit in Zeiten des Krieges. Zu weich für die neue Wirklichkeit“ – wohlgemerkt ohne Fragezeichen, sondern als Aussage. Darin wird – ganz im Gusto von Höcke gefragt:

„Und weil auf einmal wieder über autoritäre und zeitgemäße Männlichkeit, ja sogar über so was Altmodisches wie Helden diskutiert wird, kann man mal darüber nachdenken, was einen Mann eigentlich ausmacht und was nicht“ https://www.spiegel.de/kultur/maennlichkeit-in-zeiten-des-krieges-zu-weich-fuer-die-neue-wirklichkeit-a-d6250cbf-5af4-45e8-9ac3-e431b7e34104

Und das tut der Autor Tobias Haberl dann auch. Im Folgenden macht er sich sprachlich und inhaltlich lustig über Männer, die kochen, sich kümmern, gepunktete Socken tragen und sich nur in ihren Blasen bewegen (können), weil, sollten sie diese weichegespülten Welten verlassen, sie mit ihrem Verständnis von Männlichkeit nicht lange überleben würden. In Kabul oder Kairo herrschen kulturabhängig andere Regeln als im „schwul-lesbischen Kommunikationszentrum“.

„Es gibt Situationen, in denen Reste archaischer Männlichkeit ganz nützlich sein können.“

Belegt wird diese These durch das Verhalten von Männern in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 und damit sind nicht die Angreifer und Übergriffigen gemeint:

„Wo waren damals eigentlich die Männer und Freunde dieser Frauen? Am Ende fanden einige Frauen Schutz hinter dem Türsteher eines Hotels – einem im
heutigen Kroatien geborenen Mann.“

Kroatien: das Land, in dem Männer noch echt sein dürfen – gottlob war so jemand da, denn die anderen Weicheier haben ja nichts getan. Und so kommt der Autor zum Schluss:

„Angesichts aktueller Verwerfungen könnten ein paar (Eigenschaften) von ihnen, von denen wir dachten, dass wir sie nie mehr benötigen würden, wieder wichtig werden: Widerstandskraft, Risikobereitschaft, Entschlossenheit, und auch wenn es problematisch klingt: so was wie Mut oder Wehrhaftigkeit.“

Wehrhaftigkeit? Da war doch was? „Nur wenn wir mannhalft werden, werden wir wehrhaft“ (Höcke). Nun plädiert, anders als Höcke, Haberl nicht für eine Rolle rückwärts, sondern wünscht sich eine Mischung aus Weichheit und Wehrhaftigkeit, die er vollkommen verloren sieht, angesichts der aktuellen Kriegslage aber für einen unerlässlichen Teil von Männlichkeit hält.

„Männlichkeit ist toxisch, bis dein Land verteidigt werden muss.“

Dieses Narrativ schließt an das Heldennarrativ ukrainischer Soldaten und des Präsidenten Selenskyj an: echte Helden, die, weil sie ihre wehrhafte Männlichkeit noch nicht verloren haben, ihr Land verteidigen können, über sich hinaus wachsen gegen einen militärisch haushoch überlegenen Gegner. Mit dieser moralischen Keule kann der Forderung nach auch einer körperlichen, harten und wehrhaften Seite von Männlichkeit kaum mehr etwas entgegengesetzt werden. Am Ende müssen Männer Frauen, Kinder und Gesellschaften beschützen und bereit sein zu sterben, sonst geht alles unter. Und wenn das so ist, dass Länder, Gesellschaften, Frauen, Kinder und Alte nicht ohne „echte“ Männlichkeit überleben können, die natürlich von „echten“ Männer gelebt wird, wenn wir sie zum Fortbestand unserer Gesellschaft brauchen, diese starke und aggressive Männlichkeit, dann ist  analog auch OK, wenn Männer in der Öffentlichkeit andere Männer schlagen, die Geschlagenen beschämt wirken ob ihrer „Unmännlichkeit“ und sich niemand in den Weg wirft oder sich nur negativ äußert gegenüber dem Aggressor. Denn gebraucht werden die Schlagenden, nicht die Geschlagenen, damit alle überleben.

Zu beobachten ist hier ein, wie ich finde, gefährliches Phänomen: das Narrativ männlicher Retter begründet im „Mantel des Guten“ Formen von aggressiver Männlichkeit und macht sie wieder gesellschaftsfähig. Die Forderung nach wehrhafter Männlichkeit wird mit dem Schutz von Frauen und Kindern und des gesamten Landes begründet, was, by the way, Frauen wieder in die Rolle des „schwachen Geschlechts“ verweist. Ein Totschlagargument: wer würde da widersprechen wollen, wer sterben wollen, weil wir in der Gleichstellungspolitik Jungen und Männern die „harten Kerle“ ausgetrieben haben?

All diejenigen, die dem Krieger, dem Soldaten, dem Rächer, dem Frauenverteidiger jetzt Beifall klatschen, sei gesagt: am Ende ist es die Forderung, Menschen wieder qua Biologie getrennte Welten zuzuweisen und Männern aufzuerlegen, zur Gewalt und zum Sterben ja zu sagen und Teil von Gewalt und damit Täter zu werden. Wer dem heute zustimmt oder auch nur passiv bleibt gegenüber schlagenden Männern (auch, wenn sie Männer schlagen) und wer Soldaten als wehrhafte Helden glorifiziert, spricht einer Männlichkeit das Wort, die uns insgesamt in vorgestrige und patriarchale Geschlechterverhältnisse à la Höcke und AfD zurück wirft. Ehe wir also lachen, klatschen oder bewundern, sollten wir kurz darüber nachdenken, in welcher Tradition das Verhalten steht, das wir aktuell im Gefühlsozean eines Krieges goutieren und wo uns das hinführt, wenn der Krieg beendet sein wird. Harte Hunde – selbst mit ein bisschen modernem Weichspüler – werden keines der aktuellen Probleme lösen und viele der Männer, die auf beiden Seiten der Kriegsparteien aktuell ihr Leben lassen, wären vielleicht lieber weich als tot.