„Pinky Gloves“ – wenn der Shitstorm am Problem vorbei geht

Das Netz flippt aus ob der männlichen Erfindung eines Hygienehandschuhs für Frauen. Aber erfasst die Kritik den Kern des Problems?

Jeden Montag können Fernsehzuschauer*innen auf Vox zur Primetime mitverfolgen, wie Menschen, die sehr viel Geld haben, sich Anteile an startup Unternehmen sichern, indem sie ihnen Geld geben. Eine schöne Position für Investor*innen, die so gar keine Anstrengungen unternehmen müssen, um ihr Kapital weiter zu vervielfältigen, und die Zuschauer*innen können gerührt sein, dass so reiche Menschen so kleinen Erfinder*innen in die Selbständigkeit helfen. So weit, so kapitalistisch.

In der Sendung vom 12. April 2020 stellten zwei junge Männer ihre ultimative Lösung für ein – so ihre These – bislang ungelöstes Frauenproblem vor: wohin mit blutigen Tampons und Binden, wenn grad der eigene Mülleimer und ein Waschbecken nicht zur Hand sind? Und weil die Beiden in einer WG mit Frauen gewohnt haben, wussten sie, dass dieses Problem ein weit verbreitetes ist und keine Lösung in Sicht. Also strengten sie ihr Forscherhirn an und erfanden „Pinky Gloves“. Tatsächlich: knallpinke Einmalhandschuhe mit Klebestreifen am Schaft. Warum, das erfahren wir auf der Produktwebsite:

„Einfach einen der zwölf einzeln verpackten Einmal-Handschuhe anziehen, ihn mit Tampon, Binde oder Slipeinlage auf links ziehen, einrollen und mit dem Klebestreifen verschließen – so lässt sich das blickdichte Päckchen geruchs- und auslaufsicher einstecken und diskret im nächsten Mülleimer entsorgen.“ (https://pinkygloves.de/products/pinky-hygienehandschuh, Aufruf am 16.4.2021)

Der Shitstorm in den Sozialen Medien ließ nicht lange auf sich warten. Hauptkritikpunkt war unisono, dass Männer sich anmaßen, Periodenblut bzw. die Entsorgung von Hygieneartikeln, die mit eben jenem Blut getränkt sind, zu einem Problem zu erklären, welches Frauen diskret zu bewältigen hätten. Wichtig war ihnen bei ihrer Erfindung, dass diese gebrauchten Hygieneartikel weder einen Blick auf die so „verschmutzen“ Binden und Tampons zulassen, noch der Geruch des Periodenbluts die Nase erreicht und natürlich, dass das Rettungsprodukt in pink ist, damit Frauen auch verstehen, dass es für sie gedacht ist:

„Können Männer bitte endlich aufhören über Dinge zu diskutieren oder sie zu “erfinden”, von denen sie keine Ahnung haben? „ schreibt bspw. Pinkstinks (https://pinkstinks.de/pinky-gloves-zwei-typen-ein-handschuh/, Aufruf 16.4.2021)

Die EMMA, bekannt für ein kritisches und gelinde gesagt auch leicht einseitiges Männerbild, schreibt sinngemäß, wer selbst dreckig ist, sollte nicht den eigenen Fokus auf menstruierende Frauen richten, denn Frauen müssten

„jeden Tag den Haushalt von Männer-Hinterlassenschaften reinigen (müssen) wie den Urinstein im Klo, dreckige Unterwäsche, Zehnägel von der Badematte, Wichsflecken von der Bettdecke, Bartstoppel aus dem Waschbecken.“ (https://www.emma.de/artikel/daneben-gegriffen-pinky-gloves-338549, Aufruf 16.4.2021)

Selbst Nachrichtenmagazine wie Die ZEIT, Focus, taz, FAZ sind dabei und Titel These Temperamente stellt ein Video ins Netz, dass die Alternative für den Mann anpreist: einen blauen Handschuh, der den direkten Kontakt zum eigenen Penis vermeidet und damit riechende Hände. (https://www.facebook.com/TitelThesenTemperamente/videos/281270580124174 , Aufruf 16.4.2021)

Damit ist der Diskurs endgültig auf die Mann – Frau – Kampfebene gerückt: wer keine Ahnung hat oder haben kann, weil er selbst nicht blutet oder gar wer selbst stinkt, der solle sich bitte raushalten.

Ich finde das Produkt auf alle Weisen Schrott, keine Frage, und es ist nahezu bemitleidenswert lächerlich, was die beiden jungen Männer da erfunden haben und wie sie vermutlich ihr eigenes Unwohlsein, Binden und Tampons in ihrem Badezimmermülleimer in Papier gewickelt zu finden und mit dem Anblick von Blut und dem Geruch desselben konfrontiert zu sein, auf Frauen projizieren und es ihnen als ihr Problem einzureden versuchen, für das sie – erlösend – eine Lösung erfunden haben.

Ich finde jedoch, dass das Hauptproblem nicht Mansplaining ist, sondern die Haltung zu weiblichen Körpern generell, und das ist kein männliches Phänomen, sondern ein gesamtgesellschaftliches: Durch Werbung, Influencer*innen, Schönheitsmärkte und –produkte wird immer stärker ein Zwang zu einem und nur einem ganz bestimmten Verständnis des weiblichen Körpers erzeugt und forciert. Dies ist wie seit eh und je ein von außen bestimmtes, dem Mädchen* und Frauen* zu folgen haben. Die ganze Rasiererei und der gerade durch junge, weibliche Influencer*innen angeheizte Schönheits- und Hygiene(artikel)druck auf Mädchen/junge Frauen führt dazu, dass sich geekelt wird vor allem, was mit Natürlichkeit an Körpern zu tun hat: Hautrötungen, „straßenköterblondes“ Haar, Behaarung am Körper, Körpergerüche, Körperausflüsse. Alles muss weg, der Körper hat eine glatte, geruchslose Fläche zu sein. Unlängst hörte ich einige jugendliche Mädchen sich darüber unterhalten, dass sie „niemals Sport machen würden, weil sie dann ja ekelig schwitzen würden“.

Zu dem Ekel kommt die Scham, die Mädchen und Frauen als Schwester des Ekels eingeredet wird:

„Dieses Unwissen und dieser aufgebauschte Ekel hat sich bei vielen Frauen tief eingebrannt. In vielen Religionen gelten menstruierende Menschen als unrein, schmutzig, dürfen keine religiösen Stätten betreten oder an Ritualen teilnehmen. Auch in einer angeblich aufgeklärten Gesellschaft sitzt die Scham tief. … Der Unterleib der Frau ist selbst für sie eine Tabuzone und ein Battlefield für den Kapitalismus, die aus der Scham Geld macht – sei es mit Applikatoren, mit speziellen Intimreinigungsmittel, Scheidenduschen oder eben „pinky gloves“. “ (https://taz.de/Kritik-an-Pinky-Gloves/!5761099/, Aufruf 16.4.2021)

Und in diesen Kontext finde ich, gehören pinky gloves mindestens ebenso eingeordnet. Periodenblut in diesem Verständnis von „cleanen“ Körpern und einem namenlosen (und hoffentlich dann auch geruchslosen) „da unten“ bei Mädchen* und Frauen* ist dann der worst case: nicht zu kontrollieren, nicht abzustellen und extrem auffällig durch Farbe und Geruch. Da braucht es etwas, was „das“ unsichtbar und unriechbar macht.

Das Ganze auf Männer bzw. Mansplaning hin zu problematisieren, greift aus meiner Sicht zu kurz, weil es nicht den Kern erfasst: dass der weibliche Körper als unrein deklariert wird und dieser Handschuh dafür nur ein Symbol ist. Regen wir uns also nicht nur über die beiden unwissenden und sich eigentlich selbst ekelnden jungen Erfinder auf, sondern darüber, dass genau das ein weiteres Beispiel dafür ist, dass der weibliche Körper immer noch fremdbestimmt, mit Scham behängt und „rein gemacht“ wird und die beiden jungen Männer eigentlich nur für das Symptom stehen und nicht das Problem sind. Lernen wir aus der ganzen Aufregung, dass wir nicht pinky gloves für das Problem halten sollten, sondern, dass und wie der weibliche Körper immer noch fremdbestimmt ist und wird und Mädchen und junge Frauen über Werbung, Influencer*innen und Peers in diese Welt eingeführt werden, um sich auch in der nächsten Generation für ihre Körper zu schämen. Darüber rege ich mich tatsächlich auf.