Als die BAG Jungen*arbeit und die BAG Mädchen*politik 2013 die Anfrage des BMFSFJ positiv beantworteten, eine Website zu kreieren und zu betreiben, auf der junge Menschen (zunächst mit Fokus auf Jungen) sich ohne erwachsene Einmischung zu Geschlechterfragen äußern, da war noch nicht absehbar, wohin sich das Projekt entwickeln und dass es dergestalt erfolgreich werden würde. 8 Jahre und fast 900 jugendliche Beiträge später zeigt sich:
- die Themenpalette bezüglich Geschlecht ist schier grenzenlos: fast 90 Tags sind über die Jahre zusammen gekommen. Das zeigt, dass Geschlecht nicht EIN Thema ist, sondern junge Menschen sehr, sehr viele Anliegen, Sorgen, Bedenken, Einstellungen, Appelle, Schmerzen oder auch Ideen und Zugänge zur eigenen Geschlechtlichkeit und zu Geschlecht als Körper- oder auch als soziale Frage haben
- junge Menschen nutzen digitale Plattformen und öffentliche Räume, wenn sie partizipativ sind und man ihnen auf Augenhöhe und mit Respekt vor ihrer Arbeit, ihren Reflexionen und ihrer Kunst begegnet. Dann muss es auch nicht die eigene Plattform, der eigene Social Media Kanal sein, es darf auch ein aus der Gleichstellungsarbeit heraus entwickeltes Projekt sein.
Es hat sich gezeigt, dass es von großer Bedeutung ist, dass die Plattform, die jungen Menschen zur Verfügung gestellt wird, möglichst autonom und frei von politischen, verbandlichen, kurz gesagt nicht jugendintrinsischen Interessen ist, also eine möglichst cleane Bühne. Nur so bekommen die Autor*innen und Redaktionen den gesamten Raum zur Selbstenfaltung. Nur so können sich alle beteiligen, unabhängig davon, ob sie einem Verband angehören, einer Partei, sich in der Jugend- oder Kulturabeit engagieren, einer Religion angehören oder nicht, gehandicapt werden oder nicht, ihnen die Mittel zu kultureller Beteiligung fehlen oder nicht oder ob sie nirgends angedockt oder vielfältig eingebunden sind.
Genau das ist die große Qualität, die meinTestgelände gewährleisten kann, auch, weil das Projekt und damit die Website eben nicht bei einem Jugend- oder Wohlfahrtsverband angesiedelt ist, dessen Ziele und Konzepte immer bestimmte Gruppen adressieren und andere eben nicht. Nun sind diese Verbände natürlich nicht per se ungeeignet für so ein Projekt, aber alle Verbände verpflichten sich bestimmten Zielen, Zielgruppen und Themenschwerpunkten, deshalb wurden sie ja gegründet. Ob evangelische, katholische oder alevitische Träger, sozialistische oder solche mit Arbeiterbewegungsgeschichte, Verbände, die autonome Projekte zusammenschließen oder solche, die große politische Linien mit tragen, Verbände adressieren immer Teilgruppen.
Die BAGs Jungen*arbeit und Mädchen*politik verpflichten sich, geschlechterpädagogische und gleichstellungsorientierte Themen in die Fachwelt von Jugendhilfe und sozialer Arbeit zu tragen und sich dabei an feministischen und antipatriarchalen Zielen auszurichten. BAGs sind Plattformen, Verbände sind Mitglieder in diesen beiden BAGs, ebenso wie autonome Organisationen wie z. B. die LAGs zu Jungen- und Mädchenarbeit, Träger von Mädchen- und Jungenangeboten, und alle gemeinsam müssen die Richtung der BAGs austarieren und –diskutieren. Bundesarbeitsgemeinschaften sind im Gegensatz zu Bundes- und Wohlfahrtsverbänden aber offen für alle Fachkräfte, Interessierte, Vereine, Verbände und Zusammenschlüsse, die sich hinter den geschlechterpädagogischen und –politischen Zielen versammeln können und wollen. Das stellt die Organisationen breit und offen auf und eröffnet genau jenen space, den Jugendliche und junge Erwachsene offenbar brauchen und wollen um sich zu zeigen und zu äußern, Positon zu beziehen oder Forderungen zu formulieren. Das bedeutet nicht, dass die BAGs keine Orientierung hätten oder beliebig wären, sondern vielmehr, dass die Organisationsform Bundesarbeitsgemeinschaft eine offene ist, darauf ausgerichtet, möglichst viele Menschen, Vereine und Zusammenschlüsse zusammen zu bringen und politische und Fachdiskurse über Grenzen hinaus zu führen im Sinne und zum Wohle junger Menschen.
Genau dieses Kontrukt macht den Raum auf, eben jene übergreifende Plattform für junge Menschen zu Geschlecherthemen so offen und einladend gestalten zu können, wie es meinTestgelände von Anfang an war und heute ist. Das Projekt kann durch diese Struktur frei arbeiten und gestalten, alle ansprechen und einladen und hat doch trotzdem die Power dutzender Mitgliedsorganisationen und Fachkräfte hinter sich, die unterstützen, wenn es notwendig ist, die das Projekt aber auch sich selbst entwickeln lassen an den Anforderungen, Wünschen und Ideen der jungen Menschen, die die Plattform für sich nutzen (wollen) entlang.
Die BAGs haben sich in den vergangenen Jahren auch queeren Menschen, Organisationen und Themen geöffnet und dies durch Namensänderungen dokumentiert, indem der Asterisk in die Vereinsnamen eingetragen wurde. Damit wird meinTestgelände von zwei Bundesarbeitsgemeinschaften getragen, die alle Geschlechter zur Mitarbeit einladen – ein Punkt, der die Arbeit von meinTestgelände in Richtung Einbezug queerer junger Menschen und Organisationen unterstützt.
Es sind also die Struktur, Organisation und Ausrichtung der beiden Bundesarbeitsgemeinschaften Jungen*arbeit und Mädchen*politik, die den Erfolg von meinTestgelände befördern, weil sie als Träger selbst möglichst große Freiheit für das Projekt gewährleisten und gleichzeitig durch die Versammlung vieler Stimmen und Organisationen einen breit aufgestellten Rückhalt gewährleisten.
Die Folgen einer rein ehrenamtlichen Trägerstruktur
Diese wichtige Struktur, die meinTestgelände trägt, ist bei beiden Trägern komplett ehrenamtlich. Die Vorstände tragen das Projekt durch ihr persönliches Engagement. Eines der erfolgreichsten bundesweiten Projekte, das jungen Menschen viele Stimmen gibt, verfügt über keine durch Personal gestütze Trägerstruktur, die ein so großes, erfolgreiches und wachsendes Projekt verantworten könnte.
MeinTestgelände braucht eine fundierte und finanziell gesicherte Trägerstruktur, braucht eine Geschäftsstelle der BAGs, in der Personal Trägerfunktionen wahrnimmt, damit das Projekt sich weiter entwickeln kann und in sicheren Trägerstrukturen liegt. Reziprok braucht meinTestgelände auch all die Impulse und die Fachlichkeiten, das Wissen und die Kontakte, die die beiden BAGs je vereinen durch ihre Mitglieder und Strukturen. Dies alles ins Projekt einfließen zu lassen und zur Verfügung stellen zu können, ist ebenfalls Arbeit, die wichtig ist für die Entwicklung des Projekts, das ja inzwischen neben der Jugendseite www.meinTestgelaende.de auch noch eine Fachkräfteseite www.geschlechtersensible-paedagogik.de betreibt sowie mehrere Social Media Kanäle zur Verbreitung der Beiträge der beiden Websites. Insofern würden wir als Projektverantwortende und –mitarbeitende uns sehr wünschen, dass die BAGs im Rahmen des Kinder- und Jugendplans eine Personalförderung erhalten, um die einzigartige und hoch qualifizerte wichtige Gleichstellungs- und Demokratiearbeit des Projekts und der Träger zu tragen und zu fördern. Ebenso wie das Projekt selbst braucht die Trägerstruktur eine verlässliche Förderung.