Vom Suchen und Finden

Wie und wo findet man eigentlich junge Menschen, die auf einem Genderportal erzählen mögen, was sie zu Geschlechterthemen bewegt?

Sechs Jungen beteiligten sich zwei Jahre an einem vom BMFSFJ einberufenen Beirat „Jungenpolitik“ zur Situation von Jungen in Deutschland. Am Ende standen ein Buch, eine Abschlusstagung und der Vorschlag für eine Website, auf der das Leben von Jungen sichtbarer, ihre Auseinandersetzungen mit Männlichkeitsanforderungen und Geschlechterrollen öffentlich wahrnehmbar werden sollten.

Als meinTestgelände mit diesem Auftrag im August 2013 online ging, gab es von diesen sechs Jungen Statements zum Jungesein, ein Websitekonzept und die Vorstellung von Träger und Team. Ziel war, auf meinTestgelände wöchentlich mehrere Beiträge zu veröffentlichen, allesamt von jugendlichen Redaktionsgruppen zu Geschlechterthemen erarbeitet und dergestalt, dass sie für andere Jugendliche und für Fachkräfte interessant zu lesen respektive zu sehen sind. Die großen Aufgaben hießen:

  • Wie gewinnen wir Redaktionsgruppen dazu, über Geschlechterthemen zu diskutieren und sich mit den Ergebnissen auf meinTestgelände zu zeigen?
  • Wo erreichen wir Jungen und wie finden wir Jungen, die gerne öffentlich zu Männlichkeit und Geschlechterverhältnissen Stellung beziehen mögen?
  • Wie können wir Räume eröffnen, in denen sie über diese Themen sprechen und sich austauschen können? Wen braucht es dazu?
  • Wie gelingt es uns, eine solche Website für Jugendliche interessant zu machen?
  • Wollen – abgesehen von den sechs am Beirat beteiligten Jungen – Jungs überhaupt so eine öffentliche Plattform? Und was ist mit Mädchen?

Gesucht haben wir zunächst im Kontext uns bekannter Jugendarbeits- und Jugendmedienprojekte. Die Vermutung war, dass es ein gutes Angebot für diese Arbeitsbereiche sein könnte, in Projekten mit Jugendlichen Produkte wie Texte oder Videos über das Thema zu produzieren und ein besonderes Plus könnte sein, wenn diese dann noch öffentlich gesehen werden können. Drei Redaktionsgruppen konnten so gegründet werden: Was geht Almanya, HeRoes Duisburg und jeco. In allen drei Fällen gab es gute Erfahrungen mit Projektarbeit, ein Interesse an Geschlechterthemen und unterschiedliche Medienkompetenzen. Über die Band Station 17 konnten wir Kontakt aufnehmen zur Kulturkooperative barner 16, bei der Menschen mit verschiedenen Handicaps als Kulturschaffende arbeiten und dort zwei weitere Redaktionsgruppen (barner 16 und story teller) gründen. Unsere Onlineredaktion produzierte selbst sehr viele Beiträge, indem sie u.a. auf die Straßen ging und Jugendliche zu Geschlechterthemen befragt hat.

Dann stagnierten unsere Bemühungen. Die Erwartung, dass Jugendarbeit sich dieses Angebots freudig annehmen würde und Redaktionsgruppen gründen, erfüllte sich nicht. Unser Anliegen war für die Strukturen von Jugendarbeit oftmals zu bedingungsvoll: zusammen kommen müssten Medienkompetenzen, geschlechterpädagogische Kenntnisse und eine gewisse Kontinuität in der gemeinsamen Arbeit. Unsere Erfahrung beim Suchen war: für die Jugendarbeit oftmals zu viele Voraussetzungen, wir kamen hier nicht weiter auf der Suche nach Redaktionen. Unsere zweite Erfahrung war: es gibt Jungen, die gerne zu Männlichkeiten und Geschlechterthemen diskutieren und arbeiten, aber lieber mit Mädchen zusammen als „nur“ unter Jungen. Schnell wurde deutlich, eine solche Website braucht den Austausch zwischen Jungen und Mädchen und Männlichkeitsthemen sind für beide Geschlechter interessant, ebenso wie Weiblichkeitsthemen und Geschlechterverhältnisse.

Wo also Redaktionen finden wenn nicht in der Jugendarbeit? Einladungen über Träger und Organisationen der Jungen- und Mädchenarbeit über die Verteiler der BAGs Jungenarbeit und Mädchenpolitik führten ebenso wenig zu Erfolgen wie Einladungen über Mailverteiler und Websites Dritter. Als zentrales Medium stellt sich dann Facebook heraus: Wir haben sehr viele FB-Seiten geliked, sind Gruppen beigetreten und haben über Monate gesucht nach Projekten, Organisationen und Jugendlichen, die vielleicht Interesse haben könnten, weil sie sich jugendmedienaffin oder geschlechterthemeninteressiert zeigten. So haben wir einige neue Redaktionsgruppen finden und gründen können. Darüber hinaus haben wir bundesweit Kontakte geknüpft zu jugendkulturellen und Jugendmedienangeboten. Wir haben gezielt nach Projekten gesucht, die mit jungen Menschen mit Handicaps arbeiten, wir haben gesucht nach denjenigen, die ausgegrenzt werden, die niemand hören will, die keine öffentliche Stimme haben, weil wir die Beteiligung auf meinTestgelände von Anfang an mit möglichst unterschiedlichen Gruppen und Jugendlichen gestalten wollten, damit dies dann wiederum möglichst vielfältige Jugendliche ansprechen und zur Mitarbeit anregen sollte.

2015 haben wir uns dann entschlossen, auch einzelne*n Jugendlichen als Autor*innen die Möglichkeit der Beteiligung zu geben, weil wir mit Rapper*innen, Slamer*innen und Textschreiber*innen in Kontakt kamen, die für sich alleine arbeiten und ihre Kunst auch gerne auf meinTestgelände sehen wollten.

Je mehr sich die Seite füllte, je mehr Redaktionen und Autor*innen sich beteiligten, je bekannter die Website wurde, umso interessanter wurde es für junge Menschen sich zu beteiligen und umso mehr Anfragen erhielten wir. Heute schreiben uns Jugendliche und bieten ihre Beiträge an oder wenn wir Jugendliche ansprechen, dann kennen sie meinTestgelände oft schon und fühlen sich geehrt, dabei sein zu können. Unser Konzept, breit zu suchen und zu werben und so von Anfang an unterschiedlichste Jugendliche zu beteiligen, ist aufgegangen durch unsere entsprechende Steuerung und Suche. Jungengruppen fanden wir nur wenige, dafür aber viele Jungen, die gemeinsam mit Mädchen arbeiten und diskutieren mögen, sowie einige Jungen und junge Männer, die solo eigene Beiträge auf meinTestgelände einstellen. Für einige ist diese Möglichkeit vielleicht leichter. Heute ist aus einer Website, die mit der Idee und den Beiträgen von sechs Jungen begann, ein Portal geworden, das inzwischen viele Jugendliche als ihr Portal verstehen. Das Experiment ist bis hierhin gelungen.

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