Und dann kam Corona und das #gelände wurde digital – ganz anders aber ebenso erfolgreich und mit dem #gelände – Spirit.
Werbung / Ablauf / Infrastruktur – Dieses Jahr ist alles anders
Wir hatten gerade die Anmeldelisten für das #gelände20 gefüllt, als wir schweren Herzens die Entscheidung treffen mussten, das #gelände20 in der ursprünglichen Form abzusagen. Schnell war uns aber klar, dass wir gerne eine Alternative anbieten möchten und wir fingen an, erste Ideen für ein digitales #gelände zu entwickeln. Dabei wurde deutlich, dass wir so viele Elemente wie möglich von #gelände zum #onlinegelände transferieren möchten. Zum einen sollte es ein breites Angebot an Workshops geben, in denen sich die Teilnehmer*innen, mit Hilfe jugendkultureller Medien, mit Geschlechterthemen auseinandersetzen können. Zum anderen war es uns wichtig, den informellen Charakter des #geländes auch in der online Variante beizubehalten. Darüber hinaus sollte auch eine gemeinsame Abschlussveranstaltung, sowie die Erarbeitung von Produkten für die Website www.meintestgelaende.de in der Woche umgesetzt werden.
Ausgehend von diesen Überlegungen sind wir auf die für das Präsenz-#gelände in Hagen bereits angemeldeten Personen zugegangen, um ein Interesse an der Veranstaltung abzufragen. Dabei wurde schnell erkennbar, dass gerade die Jugendlichen, die bereits mehrere Jahre am #gelände teilgenommen haben, sich sehr stark mit der ursprünglichen Form des #geländes identifizieren und nicht bei allen ein Interesse an einem #onlinegelände bestand. Zwar konnten wir einige Plätze über unseren internen Verteiler füllen, dennoch wurde schnell klar, dass wir auch darüber hinaus Werbung für unsere Veranstaltung machen müssen. Dafür nutzen wir erfolgreich unsere Social Media Kanäle als auch Email Kontakte und konnten somit alle Workshops füllen.
Auch der Ablauf der Workshop Woche veränderte sich durch die digitale Form. Finden sonst alle Workshops parallel und über vier Tage lang statt, hatten die Workshops nun unterschiedliche Zeiten und Umfänge. Dies ermöglichte einerseits eine hohe Flexibilität, indem mehrere Workshops besucht werden konnten, erschwerte andererseits die Erschaffung des verbindenden Charakters des #gelände. Daher haben wir zusätzlich zu den Workshopräumen einen Pausenraum angeboten, der täglich vom Team besetzt war und zum lockeren Austausch genutzt wurde.
Auch auf ein für das #gelände typisches Rahmenprogramm wollten wir in diesem Jahr nicht verzichten. Dazu haben wir zwei Highlights erarbeitet. Am Ende des #onlinegeländes haben wir eine Lesung mit anschließendem Konzert von Kutlu Yurtseven via Youtube gestreamt und konnten während unseres Livestreams ca. 150 Zuschauer*innen für die Übertragung begeistern (Ca. 250 Aufrufe, Stand 22.08.20). https://www.youtube.com/watch?v=se07RJzg_8Q
Außerdem wurde während der Woche ein Talkformat zwischen dem Moderator und Content Creator Tarik Tesfu und der Rapperin Haszcara durch die Redaktionsgruppe Jeco aufgezeichnet. Dieses war sowohl inhaltlich als auch für unsere Öffentlichkeitsarbeit sehr gewinnbringend. (Ca. 1250 Aufrufe, Stand 22.08.20) https://www.youtube.com/watch?v=iB0RwSSgPpw
Für den Aufbau der digitalen Infrastruktur bekamen wir ebenfalls Unterstützung durch unsere Redaktionsgruppe Jeco aus Wettin. Diese haben sämtliche Räume eingerichtet und die Teilnehmer*innen und Workshopleiter*innen bei technischen Problemen unterstützt. Somit konnten wir, abgesehen von kleinen technischen Problemen, einen weitestgehend reibungslosen Ablauf gewährleisten.
Teilnahmehürden verändern sich im digitalen Raum
Die über Jahre gewachsene Struktur des #geländes bringt es mit sich, dass viele Jugendliche und Betreuungspersonen diese Woche frühzeitig in ihrem Kalender markieren und somit der Anmeldeprozess relativ reibungslos verläuft. Auch in diesem Jahr waren bis zur Absage des #geländes fast alle Plätze belegt. Ein detailliertes Anmeldeformular mit Abfrage wichtiger Daten für Aufenthalt und Unterbringung sorgt zudem für eine hohe Verbindlichkeit.
Diese Umstände haben sich in diesem Jahr geändert. Wir haben daher bewusst auf ein Anmeldeformular verzichtet und die Anmeldungen per Email entgegengenommen. Die geringere Verbindlichkeit ließ sich dann auch in kurzfristigen Absagen erkennen, die freien Plätze konnten aber aufgrund gefüllter Wartelisten schnell nachbesetzt werden.
Eine weitere, neue Hürde ist die technische Ausstattung der Teilnehmer*innen. Ein eigener PC/ Laptop inkl. stabiler Internetverbindung ist nicht für alle Jugendlichen eine Selbstverständlichkeit und hat in einigen Fällen eine Teilnahme verhindert.
Veränderte Herausforderungen für die Workshopleitenden und das Team
Auch für die Workshopleiter*innen waren die veränderten Bedingungen eine Herausforderung. Waren die Workshops sonst auf vier Tage, also ca. 25 – 30h ausgerichtet, waren es beim #onlinegelände nur noch 3 – 6h. Dennoch hat sich gezeigt, dass bei gezielter Planung und Organisation eine erfolgreiche Umsetzung gestalten lässt. Diese erfordert zum einen methodisch durchdachte Konzeptionen, aber auch die Bereitschaft der Teilnehmer*innen, sich auf die Situation einzulassen. Rückmeldungen von Workshopleiter*innen und Teilnehmer*innen zeigen, dass dies absolut gelungen ist. Nachzuhören sind diese auch nochmal in der Radiosendung zum #onlinegelände20 von Radio Blau aus Leipzig.
Auch für das Team war das #onlinegelände eine neue Situation. Sowohl die Organisation als auch die Umsetzung war gänzlich unterschiedlich zu den üblichen #gelände Veranstaltungen. Dies bezog sich, wie beschrieben, auf die Anmeldeverfahren und die technische Infrastruktur, aber besonders auf die persönliche Präsenz während der Veranstaltung. Zwar gab es auch im virtuellen Pausenraum viele Gespräche und die Möglichkeit, Feedbacks aus den Workshops einzuholen. Abendliche Gesprächsrunden und sich beim Mittagessen auszutauschen haben in der Hinsicht aber eine ganz andere Qualität.
Fazit
Das #onlinegelände hat sich in der aktuellen Situation als Veranstaltung absolut bewährt. Es konnten sowohl Teilnehmer*innen aus unserem Autor*innen- bzw. Redaktionsgruppenkreis gewonnen werden als auch neue Jugendliche, die wir bisher nicht kannten und die wir so mit dem Projekt bekannt machen konnten. Das Feedback von Teilnehmer*innen und Workshopleiter*innen war zudem sehr positiv. Es hat sich aber auch gezeigt, dass digitale Veranstaltung in der Arbeit mit jungen Menschen die persönlichen Kontakte nicht ersetzen können und dass das #gelände in seiner typischen Form deutlich mehr zu Begegnung, Austausch und Akzeptanz verschiedener, junger Menschen beitragen kann.
Feedback aus der Veranstaltung
Um uns ein Bild vom Gelingen des #onlinegelände20 zu machen, haben wir uns im Anschluß an die Workshopwoche von Workshopleiter*innen und Teilnehmer*innen ein Feedback zur Veranstaltung erbeten.
Workshopleiter*innen:
Svenja Gräfen, Leitung Schreibworkshop: “In einer kurzen Feedback-Runde am Ende sagten die Teilnehmer*innen, dass sie — trotz Videochat — ein schönes und recht intimes Gruppengefühl gehabt hätten, dass ihnen besonders der Austausch mit anderen Schreibenden gut gefallen habe, außerdem auch, einen kleinen Einblick in meine Arbeit als selbstständige Autorin sowie einige neue Impulse erhalten zu haben. So gingen wir alle voller Inspiration und Motivation zum Weiterschreiben aus dem Workshop.”
Felix, Leitung Systemsprenger Workshop: “Die Meinungen waren durchgehend positiv und die Teilnehmer/Innen waren von der Thematik begeistert. Einige versprachen den Film Systemsprenger im Anschluss zu schauen. Lediglich die online Ausführung des Workshops war ein Kritikpunkt. Lieber hätten die Teilnehmer/Innen an einem regulären Face to Face Workshop teilgenommen, was verständlich ist. Doch trotz dieser Umstände war der Workshop ein Erfolg.”
Adrian Adu, Leitung Spoken Art Workshop: “Der Workshop war super, obwohl zeitlich etwas knapp. Wir haben dann darüber hinaus mit den Teilnehmer*innen noch eine Whats App Gruppe gegründet, um weitere Sachen zu besprechen. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser #gelände Vibe, den ich sonst mitbekommen habe, so in zwei Stunden online hergestellt werden kann. Und das hat auf jeden Fall geklappt.”
Teilnehmer*innen
Jette Busse, „Kreativer Mut Ausbruch“
“Der Workshop sprach mich vor allem wegen seines Titels an, jedoch wurde ich inhaltlich sehr überrascht. Dass es bei diesem Workshop tatsächlich um Bewegung im Einfluss und Einklang mit Musik gehen würde, wusste ich durch die Workshopbeschreibung noch nicht und vermutlich hätte ich mich auch nicht angemeldet, wenn das Wort „Tanzen“ gefallen wäre. Ich habe es jedoch nicht bereut teilzunehmen.
Anfangs gab es verschiedene technische Schwierigkeiten, die nicht alle bis zum Ende des ersten Workshoptages gelöst werden konnten. Beispielsweise schaltete sich Nadines Mikrofon etwa alle fünf Minuten von selbst ab und durch eine schlechte Internetverbindungen wechselte ich vom PC auf das Handy. Dank Unterstützung vom meintestgelände Team sowie einer Kollegin Nadine Bouamaieds, fanden wir Lösungsansätze.
Der Workshop an sich hat mir viel Freude bereitet. Frau Bouamaieds war professionell, nahbar und die Liebe und Begeisterung zu ihrem Fachbereich war stets zu spüren und ermutigte mich, über mich selbst hinauszuwachsen. Ich gehe mit einem positiven Gefühl aus dem Workshop und empfehle ihn sehr.”
Melanie, “Systemsprenger Workshop” & “Schreibworkshop”
“Ich habe am Workshop „Systemsprenger“ teilgenommen. Diese Erfahrung fand ich sehr toll. Felix und Julian haben uns viel selbst sagen lassen, indem sie uns Fragen gestellt und uns nach unserer Meinung gefragt haben. Als sie uns eine PowerPoint Präsentation zeigten, stockte leider der Ton und sie boten uns an, sie noch einmal an uns als Anhang zu verschicken. Das fand ich sehr nett und zuvorkommend. Ich habe sie noch nicht bekommen, aber ich bin mir sicher, sie kommt noch 😄
Das „Kreative Schreiben“ mit Svenja war sehr gut. Das Hilfreichste für mich war der Input, den sie uns gegeben hat. Wir durften auch viel selber schreiben, aber sie hat uns auch richtig viel erklärt und begründet. Am Ende durften wir ihr noch sehr viele Fragen zu ihren Büchern und das Autorenleben an sich fragen. Hierfür hat sie sich viel Zeit genommen, um unsere Fragen ausführlich zu beantworten und ich glaube, sie hatte an diesem Workshop genau so viel Freude wie viele von uns Teilnehmern.”
Tatjana, “Spoken Art”
“Ich habe „Spoken Art“ belegt und das hat richtig viel Spaß gemacht. Dabei sind auch richtig tolle Texte von uns allen entstanden, wie ich finde. (Unsere schicken wir dir im Laufe der Woche noch zu). Das Beste an diesem Workshop war für mich, dass Adu sich viel Zeit genommen hat, um auf die Erwartungen und „Bedürfnisse“ von uns Teilnehmern einzugehen. Jeder hat einzeln seinen Text vorlesen können und dazu konstruktives Feedback bekommen. Am Ende durften wir dieses anwenden, indem wir geübt haben, unsere Texte lebhaft vorzutragen.”
Kolja, “Schreibworkshop”
“Ich habe das #Onlinegelände als sehr gelungen erlebt! Das ging schon damit los, dass Ihr es unter den aktuellen Umständen überhaupt habt stattfinden lassen und sogar eine Chance darin gesehen habt, Menschen zu erreichen, die zu den physischen Veranstaltungen in der Regel nicht anreisen. Weiter ging es mit Euren Vorankündigungen und Bekanntmachungen – mich hat das #Onlinegelände von zig Seiten erreicht und das in einer Sprache, die sowohl Lust gemacht hat auf den ganzen Rahmen als auch, wie soll ich es sagen, angenehm vielfaltsfreundlich war. In der Kommunikation finde ich Euch derweil einfach total nett und nahbar. Das Programm war wirklich spannend und anregend – allenfalls etwas „schreiblastig“, aber das gehört ja eben zu den derzeit vergleichsweise wenigen Dingen, „die gehen“. Ich selbst habe an der Schreibwerkstatt von Svenja teilgenommen; fand ich klasse, zumal Svenja eine gute Ausgewogenheit hinbekommen hat zwischen konkreten Methoden/Übungen einerseits und andererseits auch als (schreibende) Person offen in Erscheinung zu treten und total zugänglich von eigenen (positiven wie zunächst frustrierenden) Erfahrungen zu berichten und darüber mit den Teilnehmenden ins Gespräch zu kommen. Der Workshop war wirklich super, schöne Atmosphäre. Einzig fiel mir auf, das in diesem konkreten Workshop (…ich weiß nicht, wie es an anderen Stellen war) die Teilnehmer*innenzusammensetzung etwas „homogen“ war. Es fühlte sich etwas „gymnasial“/Deutsch-LK-mäßig an. Aber mensch weiß ja nicht, was die Anderen so für Hintergründe, Erfahrungen und Eigenheiten mitbringen. Womit ich beim einzigen wirklichen Manko bin, für das Ihr aber ja nichts könnt: Es fehlten – natürlich – die Zwischendurch-Begegnungsräume, das Nosing-around… Ich finde, Ihr habt das noch etwas abgefangen, indem es den Austausch-Room mit Euch gab – da hat es mich gefreut, mal zumindest mit Euch etwas zu quatschen abseits des Programms, aber mit anderen Teilnehmenden kam ich darüber nur wenig in Kontakt. Aber gut, das ist halt die Zeit. Also, es ist deutlich geworden, ich fand es klasse. Angesichts der erschwerenden Bedingungen: Richtig klasse! Danke.”
Robert Lejeune für das Team von meinTestgelände im August 2020