Modul 3: Im Interview oder Brief in die Vergangenheit reisen

Diese Methodeneinheit lenkt den Blick zurück aufs eigene Ich in der Vergangenheit und vergleicht das Gestern mit dem Heute. Die Methoden ‚Brief schreiben‘ bzw. ‚Interview führen‘ helfen Jugendlichen zu reflektieren, ob und wie sie durch Geschlechterollenbilder beeinflusst werden. Sie laden dazu ein, über Wahlfreiheit bzw. Beeinflussung und über eigene Wünsche und Lebensvorstellungen zu diskutieren.

Wenn Männer (v.a. beruflich erfolgreiche) im Rentenalter befragt werden, was sie gerne anders gemacht hätten in ihrem Leben, was sie eventuell bereuen, dann antworten viele von ihnen: ich hätte gerne mehr Zeit mit meiner Familie und Freund*innen verbracht, ich wäre gerne näher dran gewesen am Heranwachsen meiner Kinder. Dagegen kommt fast nie die Antwort: ich hätte gerne mehr Zeit in der Firma verbracht. Werden Frauen zu Ihrer Ausbildungszeit und Berufstätigkeit befragt, gibt es viele, die gerne ein Handwerk erlernt oder ein technisch-mathematisches Studium absolviert hätten, aber letztlich einen anderen Weg gewählt haben, weil ihnen schon in den Gesprächen im Vorfeld davon abgeraten worden war.

Methode I: Einen Brief schreiben

Lesen Sie zum Einstieg gemeinsam in der Gruppe die ‚Briefe an ein Neugeborenes‘ von Tamy Keitel und/oder Carsten Schnathorst:
https://www.meintestgelaende.de/2020/10/its-a-boy/

Im Anschluss besprechen Sie mit den Teilnehmer*innen, was die Briefe bei ihnen auslösen, ob sie ihnen gefallen, ob sie die Hinweise darin hilfreich finden.

Briefe an ein Neugeborenes

Und dann verfassen die Jugendlichen selbst einen Brief an ein Neugeborenes (evtl. aus der eigenen Familie / Bekanntenkreis). Dafür sammeln sie zunächst gemeinsam auf einem großen Papierbogen Tipps, die ihnen wichtig scheinen. Für dieses Brainstorming ist wichtig, dass alle wissen, dass es keine falschen Tipps gibt und diese auch nicht diskutiert werden. Die Sammlung soll als Inspiration dienen und nicht als inhaltliche Vorgabe für den Brief. Die Tipps müssen also nicht übernommen werden. Ziel ist es, dass in der darauffolgenden Einzelarbeit weitere eigene Ideen entstehen können, individuelle Formulierungen und Erfahrungen in den Brief einfließen.

Falls das Brainstorming schwierig in Gang kommt, können die folgenden Fragen hilfreich sein. Sie sollten nicht alle genutzt werden, sondern in die Moderation des Gesprächs einfließen, immer mit dem Fokus auf das Thema Geschlechterrollen:

  • Was war toll in deiner Kindheit, was möchtest du jedem anderen Kind mitgeben?
  • Welches vermeintliche Wissen über Geschlechterrollen wurde dir als Kind vermittelt, das du heute unnötig findest? Was davon war schlicht falsch?
  • Welche deiner Erfahrungen war unveränderbar, was würde also heute, wärst du wieder Kind, genauso passieren?
  • Welche Informationen über Rollenbilder haben dir damals gefehlt?
  • Welche Änderungen wären notwendig, damit du es heute in bestimmen Situationen leichter hättest?

Auswertung

Wenn alle einverstanden sind, können die Briefe im Anschluss an einer Schnur mit Klammern, wie auf einer Wäscheleine, an der Wand entlang im Raum aufgehängt werden, damit alle die Gelegenheit bekommen, die Briefe der anderen zu lesen. (Oder digital unter https://padlet.com ein ‚Storyboard‘ anlegen und jeden Brief mit eigener Karte veröffentlichen)

Die Methode ‚Brief schreiben‘ lässt sich beliebig abwandeln und erweitern, indem das Alter der Zielperson variiert oder der Brief vllt. sogar an einen selbst gerichtet ist. Veronika zum Beispiel hat einen Brief an sich selbst als 14-jährige geschrieben: https://www.meintestgelaende.de/2020/01/wenn-ich-dich-so-sehe/