Männlichkeit kann viel Verwirrung auslösen, die Auseinandersetzung damit aber auch wertvoll sein für die Jungenarbeit
In dieser Einheit geht es um intersektionale Erfahrungen von Jungen mit dem Fokus auf Männlichkeit. Hier erfahren Teilnehmende mehr über die Unterschiede innerhalb eines Geschlechts sowie über die Verbindung von Zuschreibungen aufgrund anderer Faktoren wie in diesem Fall die Herkunft.
Ziel der Einheit ist, einen Einblick zu gewinnen in eine männliche Lebenswirklichkeit und in die damit verbundenen Zuschreibungen. Zudem soll eine Auseinandersetzung mit männlichen Risikoverhalten und den damit verbundenen möglichen Folgen stattfinden, was zu einer Erweiterung von Strategien bei schwierigen Entscheidungen auf Seiten der beteiligten Jungen führen soll.
Bevor Sie mit dieser Einheit mit Jugendlichen arbeiten, sehen Sie sich das Video an und lesen Sie die Zusammenfassung der Inhalte.
Was passiert im Video?
Abdul beschreibt in seinem Poetry Text „Schaf im Wolfspelz“ seine Gedanken auf dem Sprungturm im Schwimmbad. Seine Kollegen rufen ihm zu, dass er springen solle, aber er klettert beschämt vom Turm wieder runter. Er überlegt, wie seine Sensibilität und Männlichkeit zusammenpassen können. Abdul erzählt von den rassistischen Zuschreibungen seines Fahrlehrers, obwohl er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Er fragt seinen Freund um Rat, wie er einer Frau begegnen soll, die ihm sehr wichtig geworden ist und in die er sich verliebt hat. Der Freund rät ihm, „sie nach Hause zu bringen, wie sich das für einen richtigen Mann gehört“.
Tatsächlich bringt Abdul die Frau zur S-Bahn, er ist allerdings betrunken. Sie entgegnet ihm, dass sie auch alleine nach Hause fahren könne, aber er besteht darauf. Bei der Rückfahrt schläft er ein und muss bei einer falschen Haltestelle aussteigen, zu allem Überdruss regnet es auch noch. Verzweifelt will er mit den Rollenerwartungen an ihn als Mann aufräumen. Er spricht über seine Höhenangst, die dabei entstand, als er von einer Kletterwand in 8 Meter Höhe abgestürzt ist, weil ihn sein Klassenkollege nicht gesichert hat. Darüber, dass sein Freund Kemal kurz nach der Führerscheinprüfung einen schweren Unfall mit 140 km/h gebaut hat, bei dem er und seine Freundin ums Leben gekommen sind.
Abdul kann einer Frau nicht seine Gefühle gestehen und sie auch nicht einfach küssen, weil er gelesen hat, dass 40% Prozent der Frauen bei so etwas in Schockzustand verfallen und es einfach über sich ergehen lassen und er das nicht möchte.
Im Sommer springt er unter Überwindung seiner Höhenangst und wenn er sich wirklich wohlfühlt vom 3-Meter-Brett. Er möchte niemanden gefährden, deswegen fährt Abdul vorsichtig mit dem Auto.
Seine Freundin bringt er nicht nach Hause, denn das kann sie selber. Er tut sich bei Menschen mit dem ersten Schritt schwer, weil er bei vielen Menschen „unter Generalverdacht“ steht. Abdul hinterfragt sehr viel und hat dadurch eine Vorsicht entwickelt, was seine Freundin wiederum gut findet, denn sie will keinen großen Macho mit tiefer Stimme, sondern ihn, das „Schaf in einem Wolfspelz“.
Die einzelnen Elemente der Geschichte:
Abduls Erzählung besteht aus mehreren Elementen, die für die Einheit verwendet werden können. Als Metaebene fungieren seine Gedanken, die über allen Geschichten stehen. Hier die einzelnen Szenen:
- Geschichte: Abdul steht in einem Schwimmbad auf dem Sprungturm
- Geschichte: Abdul und sein Fahrlehrer
- Geschichte: Abdul spricht mit seinem Freund
- Geschichte: Abdul und seine Freundin
- Geschichte: Abdul an der Kletterwand
- Geschichte: Abduls Freund stirbt bei einem Autounfall
- Geschichte: Abdul auf dem 3-Meter-Brett
Setting:
Die Einheit eignet sich für Jugendliche ab 15 Jahren und kann sowohl im Rahmen eines Workshops physisch als auch online abgehalten werden. Es wird einzeln bzw. in Kleingruppen gearbeitet, d.h., es sollte ausreichend Platz für diese Arbeit in einem gut ausgeleuchteten Raum sein. Die Materialien sollten in ausreichendem Maße vorhanden sein. Bei einem Online Workshop kann in Breakout Sessions oder anderen Einzel- bzw. Gruppenformaten gearbeitet werden. Der Zeitrahmen sollte etwa 90 Minuten betragen, um ausreichend Zeit für die jeweiligen Arbeiten und die Präsentationen zu haben. Bei der Methode Comic können Blätter mit vorgefertigten Frames (Rahmen) die Zeit etwas verkürzen, dadurch verliert allerdings die Methode etwas an selbständiger Arbeit.
Vorüberlegungen für die Fachkraft:
Bereiten Sie sich gewissenhaft auf den Workshop vor und lesen Sie alles ganz genau. Erinnern Sie im Vorfeld für sich riskante oder gefährliche Momente aus ihrem Leben für den Fall, dass Sie von den Teilnehmenden gefragt werden. Vermeiden Sie dabei Relativierendes oder Verharmlosendes, seien Sie ehrlich und offen.
Als männliche Fachkraft können Sie damit „Kosten von Männlichkeit“ sichtbar machen, also den Umstand, dass es für Jungen und Männer oft auch einen Verlust ihrer „Männlichkeit“ bedeuten kann. Sie können dadurch aber auch sichtbar machen, dass solche Situationen zwar passieren können, aber nicht erstrebenswert sind, weil eben diese „Kosten“ zu schweren Verletzungen oder sogar Tod führen können.
Als weibliche Fachkraft können Sie damit zeigen, dass nicht nur Jungen und Männer mit Risikoanforderungen konfrontiert sind, allerdings es Mädchen und Frauen eher nachgesehen wird, wenn sie bei etwas scheitern, weil dies einem Rollenklischee entspricht. Sie können außerdem Unterschiede von geschlechtsspezifischen Risiken aus ihrer Erfahrungsperspektive sichtbar machen. Als non-binäre oder inter* Fachkraft können Sie einen eigenen Blick vermitteln, den Sie aufgrund eigener Erfahrungen entwickelt haben, um das „Korsett“ von Geschlechtererwartungen aufzuschnüren und dadurch weitere Strategien sichtbar zu machen. Mittels der Methode „Ask the other question“ können Sie erfragen, was sich verändert, wenn die Person im Video/Text ein anderes Geschlecht hätte. Dadurch wird sichtbar, dass Angst kein Geschlecht hat und die damit verbundenen Zuschreibungen an Geschlecht hinderlich sein können.