Rassismus Modul 2: Wo kommst du (eigentlich) her?

Dieses Modul befasst sich mit der rassifizierten Frage: „Wo kommst du (eigentlich) her?“, die Menschen of Color und Migrant*innen oft gestellt wird. Damit reproduzieren die Fragende Momente des Otherings, bei denen diejenigen, die gefragt werden als nichtzugehörig zu Deutschland betrachtet werden.

Das Modul streift auch die Thematik des antimuslimischen Rassismus und seinen intersektionalen Verbindungen mit Gender. Es erforscht, inwieweit diese in die Prozesse des Otherings, Orientalismus und Aufwertungen der Dominanzgesellschaft involviert sind.

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Ziele
  • Fragen, die rassifizierend sind, als solche erkennen lernen
  • Verbindungen zwischen Gender und antimuslimischen Rassismus kennen lernen
  • widerständige Bilder und Strategien gegen antimuslimischen Rassismus/ Rassismus/Sexismus und damit einhergehenden Fragen kennenlernen
  • eigene Sprache und eigene Handlung reflektieren lernen

Methode 01: Wo kommst du (eigentlich) her?

Für welche Gruppe:

  • für alle Geschlechter offen
  • für Menschen mit und ohne Rassismuserfahrungen
  • ab 14+ Jahren geeignet
  • Anfänger*innen und Fortgeschrittene
  • Gruppengröße ist unbeschränkt
Zeit: 2 – 4 Stunden(je nach Diskussionsbedarf)

Materialien:
  • Bewegungsraum
  • Beamer/ Laptop
  • Transkript des Videos: Von überall her
  • Handout: Von überall her + Von überall her – Eigene Reflektion
  • Papier + Moderationskarten
  • Marker, Stifte + Kreppband
Vorbereitung:

Falls nicht bereits geschehen, liest sich die Moderation anhand des Modul I in das Themengebiet Rassismus ein und arbeitet heraus, inwieweit Rassismus mit Macht und Struktur verbunden ist. Empfehlenswerte Bücher und Links sind am Anfang des Moduls zu finden. Auch ist es empfehlenswert das Handout: Eigene Reflektion aus demselben Modul zu bearbeiten.

Die Moderation arbeitet sich anhand der verlinkten Texte von Iman Attia und Santina Bataglia in das Thema: antimuslimischer Rassismus/ Gender etc. ein, schaut sich auf der Webseite von meinTestgelände das Video von Tanasgol Sabbagh: Von überall her an https://www.meintestgelaende.de/2018/07/von-ueberall-her/ (https://www.meintestgelaende.de/2018/07/von-ueberall-her/) und bearbeitet auf Grundlage dessen das Handout: Von überall her – Eigene Reflektion.

Der Raum wird so vorbereitet, dass ein gemeinsames Schauen des Videos möglich ist. Die TN werden vorab gebeten, wenn vorhanden, ihre Smartphones/Tablets mitzubringen bzw. diese zu stellen.

Die Moderation druckt das Transkript für das Video: “Von überall her” und das dazugehörige Handout aus. Das Handout wird in seine Einzelteile zerschnitten und die Zettel werden zusammengefaltet in einen Hut/ eine Schale gelegt. Auf dem Boden werden drei Ecken mit Malerkrepp markiert und mit A-4 Blättern versehen. Auf dem einen Blatt steht: Ja, auf dem anderen: Nein und auf dem dritten: Vielleicht.

Hinweis:

Da diese und die folgenden Übungen in einem gemischten Raum abläuft, sollteninnerhalb der Übung TN mit Rassismuserfahrungen nicht damit konfrontiert, oder gar dazu gezwungen werden, diese zu teilen, TN ohne Rassismuserfahrungen sollen wiederum nicht in die Position der Schuldigen geraten. Es geht mehr um die Darstellung von rassistischen Strukturen in der Gesellschaft und um die Verantwortung des eigenen Tuns, die damit einhergeht. Jedoch sollte auch bewusst gemacht werden, dass es Rassismuserfahrungen auf der einen und Privilegien des Nichterfahrens auf der anderen Seite gibt und sich somit die gesellschaftliche Position unterscheidet.

Die Übung basiert auf einem Beispiel und ist nicht dazu angelegt biographische Erfahrungen der TN in den Fokus zu stellen. Wollen einzelne TN dennoch ihre eigenen Erfahrungen mit der Gruppe teilen, so sollte sensibel damit umgegangen werden.

Durchführung:

Die Moderation schreibt auf ein Flipchart die Frage: “Wo kommst du (eigentlich) her?” und verteilt Stiften/Marker an alle TN. Um das Flipchart herum sitzend, habendie TN jetzt die Aufgabe ihre Gedanken zu der Frage kurz zu erläutern und dann auf dem Flipchart festzuhalten. Die TN können im Anschluss gemeinsam in einen Austausch gehen, die Moderation leitet das Gespräch und fragt nach. Folgende Zusatzfragen können sein:

  • Wo gibt es Gemeinsamkeiten in dem Verständnis der Frage, wo Unterschiede?
  • Wann kann diese Frage gefragt werden? Von wem?
  • Wer wird diese Frage gefragt?

Nun wird gemeinsam das Video zum ersten Mal geschaut. Die Moderation erklärt im Vorhinein von wem das Video ist, wie es heißt und dass es im Stil eines Spoken-Word Vortrages gehalten wird. Nach dem ersten Schauen werden Verständnisfragen geklärt. Es kann auch das Transkript an alle verteilt werden, so dass mitgelesen werden kann.

Dann werden alle TN in die Mitte des Raumes gebeten. Die Aussagen des Handouts “Von überall her” werden eins nach dem anderen aus dem Hut/der Schale genommen und nacheinander vorgelesen. Nach jeder Aussage werden alle TN gebeten die Aussage für sich einzuschätzen und diese mit Ja/Nein oder Vielleicht zu beantworten, indem die Ecke mit der passenden Antwort aufgesucht wird.

Nach jeder Aussage kann die Moderation einzelne TN zu ihrer Entscheidung befragen.

Im Anschluss werden die TN einzeln, oder in Gruppen losgeschickt, um mit ihren Smartphones (oder wenn vorhanden mit Tablets) drei Fotos zu machen, die den Inhalt des Gedichts widerspiegeln und eine kurze Geschichte erzählen. Dabei können sie so kreativ sein, wie sie wollen. Es sollten mindestens 15-20 Minuten eingeplant werden. Sind alle zurück, so stellen alle nacheinander ihre Bilder vor und erklären ihre Geschichte. Die Smartphones werden dazu umhergereicht, oder an den Beamer angeschlossen bzw. über Bluetooth mit einem Smartboard verbunden, so dass ein gemeinsames Schauen möglich ist.

Zusatz:

Hat die Gruppe noch Lust darauf mehr zu erfahren und tiefer in das Thema einzusteigen, so kann die Moderation ihr, aus den Texten gesammeltes Wissen zum antimuslimischen Rassismus/ Orientalismus und der Darstellung von Frauen* innerhalb dieses Diskurses mit der Gruppe teilen bzw. gemeinsam erarbeiten. Vor allem geht es um die Dichotomien und Homogenisierungen, die dabei konstruiert werden, um eine vermeintliche Abgrenzung und Aufwertung zu erzeugen. Dieses kann anhand einer Tabelle, die auf einen Flipchart oder an die Tafel gemalt wird, erfolgen. Möglich wäre die folgende Einteilung:


antimusl. Rassismusvs. christliches AbendlandPoC/Muslimavs. weiß-deutsche Frauen

betrifft Menschen, die als muslimisch markiert sind, egal ob gläubig, oder nicht

vereint Menschen, die als christlich markiert sind, egal ob gläubig, oder nicht; manchmal auch die Vereinnahmung von Judentum: christlich/jüdisches Abendland

unterdrückt/ kein eigener Wille/ keine eigene Entscheidung

emanzipiert
nicht westlichwestlichin vom Sexismus geprägtem Haushalt aufwachsendin von Sexismus freier Gesellschaft aufwachsend

rückständig, nicht emanzipiert

fortschrittlich, aufgeklärt, emanzipiert

müssen vor Vätern/ Brüdern gerettet werden

müssen vor gewalttätigen “migrantischen” jungen Männern* gerettet werden

diskriminierend, vor allem sexistisch und homophob

nicht diskriminierend: nicht rassistisch, sexistisch, homophob

Nicht-Deutsch sondern
Ausländer*innen/Migrant*innen/ mit Migrationshintergrund/NdH/….

Deutsch

Methode 02: Was glauben Sie eigentlich …?

Für welche Gruppe:
  • für alle Geschlechter offen
  • für Menschen mit und ohne Rassismuserfahrungen
  • ab 14+ Jahren geeignet
  • Anfänger*innen und Fortgeschrittene
  • Gruppengröße ist unbeschränkt

Zeit: 3 – 6 Stunden(je nach Diskussionsbedarf)


Materialien:
  • Stuhlkreis + Beamer/ Laptop
  • Flipchartpapier + Moderationskarten, Stifte
  • Handout: Woher kommst du?
Vorbereitung:

Die Moderation erinnert sich an die letzten Übungen zurück und beantwortet für sich vorab die folgenden Fragen.

  • Wie war es?
  • Wie empfand ich die Gruppe? Wie empfand ich mich?
  • Was will ich thematisch noch vertiefen?
  • Was habe ich gut gemacht?
  • Welche Schwierigkeiten hatte ich?
  • Wo habe ich noch Lücken bezüglich der Themen antimuslimischer Rassismus/Othering/Orientalismus?
Durchführung:

Die Moderation leitet das Video „Woher kommst du?“ von HOLLIEHood ein Rassismus im Alltag: Woher kommst du? – meinTestgelaende.de (https://www.meintestgelaende.de/2019/04/rassismus-im-alltag/)

Im Anschluss schauen sich alle TN gemeinsam ein- oder mehrmals das Video an; Nachfragen klären.

Die Moderation erklärt, dass es innerhalb dieser Übung darum gehen wird, über die bisher besprochenen Themen, mit anderen Menschen aus der Umgebung zu interagieren. Die TN haben die Aufgabe ihr bisher erworbenes Wissen mit anderen aus der Schule/dem Jugendzentrum/dem Kiez/der Stadt zu teilen. Dazu bearbeiten alle gemeinsam das Handout: „Woher kommst du?“ und klären für sich Nachfragen, die bisher noch unbeachtet blieben. Ist die Gruppe sehr groß, kann auch in Kleingruppen gearbeitet werden.

Danach erarbeiten alle gemeinsam, oder in mehreren Kleingruppen, einen Plan, wie sie vorgehen wollen. Ziel ist es Menschen aus ihrer Umgebung mit den Fragen aus den Videos: “Von überall her” und “Woher kommst du?” zu konfrontieren/ zum Erzählen zu bringen/ zum Nachdenken zu bringen. Die TN könnten dazu beispielsweise auf mehrere Flipchartbögen diese Fragen/ Aussagen aufschreiben:

  • Wo kommst du (eigentlich) her?
  • Wo kommen deine Eltern/ Großeltern eigentlich her?
  • Du kannst aber gut Deutsch!
  • Trägst du dein Kopftuch freiwillig?

Mit den Flipchartbögen/ mehreren Moderationskarten und Stiften könnten sie im Jugendzentrum/der Schule/Stadtmitte sich aufstellen und vorbeigehende Mitschüler*innen/Passant*innen nach ihrer Meinung fragen.

  • Was halten sie von der Frage?
  • Wer bekommt sie gestellt?
  • Ist sie angebracht?
  • Haben sie selbst schon einmal diese Frage gestellt?
  • Welche Vorstellungen sind mit diesen Fragen verbunden usw.

Auch können sie als “Auflösung” die Videos von Tanasgol Sabbagh und den HOLLIEHood ganz oder teilweise auf ihren Smartphones zeigen bzw. Textpassagen von “Von überall her” verwenden, um ihre Aussagen zu bekräftigen.

Es ist ratsam sich einen genauen Plan zu erstellen, damit vor Ort kein Chaos ausbricht und alle wissen, was sie zu tun haben. Es ist auch möglich aus der Aktion einen kleinen Film mithilfe von Smartphones zu drehen und diesen dann im Anschluss gemeinsam zu schneiden.

Die Filme können anschließend auch an die Onlineredaktion von meinTestgelände gesendet werden.

Weiterführende Quellen:

Castro Varela, Maria do Mar; Dhawan, Nikita: Das Dilemma der Gerechtigkeit: Migration, Religion und Gender. In: Das Argument (266), Sonderheft „Migrantinnen Grenzen Überschreitend“, 2006: 427-440.

Attia, Iman: Orient- und IslamBilder. Interdisziplinäre Beiträge zu Orientalismus und antimuslimischem Rassismus. Münster 2007.

Attia, Iman: Die “westliche Kultur” und ihr Anderes. Zur Dekonstruktion von Orientalismus und antimuslimischem Rassismus. Bielefeld 2009.

Kulacatan, Meltem; Behr, Harry Harun: Migration, Religion, Gender und Bildung. Beiträge zu einem erweiterten Verständnis von Intersektionalität. Bielefeld 2020.

Shooman, Yasemin: „… weil ihre Kultur so ist“ – Narrative des antimuslimischen

Rassismus, Bielefeld 2014.

Attia, Iman; Keskinkilic, Ozan Zakariya: Antimuslimischer Rassismus. In: Mecheril, Paul: Handbuch Migrationspädagogik. Beltz. 2016.

https://www.academia.edu/30384691/Attia_Keskinkilic_2016_antimuslimischer_Rassismus

Attia, Iman: Unzumutbare Koexistenz. Rassialisierungsprozesse vonMuslimen und Musliminnen in histori

scher Perspektive. In: Uçar, Bülent/Kassis, Wassilis (Hg.):  Antimuslimischer Rassismus

und Islamfeindlichkeit, Göttingen. 2019.

https://www.academia.edu/38795924/Unzumutbare_Koexistenz_Rassialisierungsprozesse_von_Muslimen_und_Musliminnen_in_historischer_Perspektive

Bataglia, Santina: Die Repräsentation des Anderen im Alltagsgespräch: In: Anne Broden/Paul Mecheril (Hg.): Re-Präsentationen. Dynamiken der Migrationsgesellschaft,IDA-NRW, Düsseldorf. 2007.

https://www.ida-nrw.de/fileadmin/user_upload/reader/Re-Praesentationen.pdf