Diese Einheit führt in das Thema Rassismus und Privilegien ein. Es wird geklärt, was unter Rassismus verstanden wird, wer Rassismus erlebt und wie Rassismus mit anderen Diskriminierungsformen zusammenhängt. Des Weiteren erfolgt eine Beschäftigung mit Privilegien, die weiße Menschen, also Menschen ohne Rassismuserfahrungen erleben. Es wird erklärt was Privilegien sind, warum es wichtig ist, sich darüber bewußt zu sein und welche Möglichkeiten es gibt Verbündete*r zu werden und rassismuskritisch zu handeln.
Ziele
- Definition von Rassismus
- Einführung ins Kritische Weißsein/ Verständnis von Privilegien
- Einführung in das Thema Allyship/ Verbündetensein
Methode 01 : Diskriminierung und Privilegien
Für welche Gruppe:
- für alle Geschlechter offen
- für Menschen mit und ohne Rassismuserfahrungen
- Anfänger*innen und Fortgeschrittene
- Gruppengröße ist unbeschränkt
Zeit: 1-2 Stunden(je nach Diskussionsbedarf und Durchhaltevermögen)
Materialien:
- Beamer/ PC/Internet
- Bewegungsraum + Stuhlkreis
- Handouts I, II & Eigene Reflektion
- Flipchart, Stifte, Kleber
Vorbereitung:
Die Moderation liest sich in das Themengebiet Rassismus ein und arbeitet heraus, inwieweit Rassismus mit Macht und Struktur verbunden ist. Empfehlenswerte Bücher und Links sind am Anfang dieses Moduls zu finden. Die Moderation bearbeitet für sich im Vorhinein das Handout: Eigene Reflektion und liest sich den Text von Sarah Wiedenhöft “Manchmal habe ich Angst um meinen Sohn” auf der Webseite von meinTestgelände durch. Manchmal habe ich Angst um meinen Sohn – meinTestgelaende.de https://www.meintestgelaende.de/2015/12/manchmal-habe-ich-angst-um-meinen-sohn/
Der Text wurde für diese Übung in zwei Teile geteilt. Handout I beinhaltet den ersten Teil, Handout II den zweiten Teil des Textes. Beide Handouts werden einmal ausgedruckt und in ihre Einzelteile zerschnitten. Die einzelnen Abschnitte werden durchgemischt und entweder aufgehängt, auf Tische gelegt, oder auf dem Boden verteilt.Der Titel des Textes und der Name der Autor*in wird irgendwo im Raum auf ein Flipchart/an eine Tafel etc. geschrieben.
Die Moderation bereitet sich thematisch auf das Thema Privilegien und Intersektionalität vor und liest sich anhand der Quellen ein, insbesondere auch in den Text von Peggy McIntosh und Kimberle Crenshaw.
Hinweis:
Da diese und die folgenden Übungen in einem gemischten Raum abläuft, sollteninnerhalb der Übung TN mit Rassismuserfahrungen nicht damit konfrontiert, oder gar dazu gezwungen werden, diese zu teilen, TN ohne Rassismuserfahrungen sollen wiederum nicht in die Position der Schuldigen geraten. Es geht mehr um die Darstellung von rassistischen Strukturen in der Gesellschaft und um die Verantwortung des eigenen Tuns, die damit einhergeht. Jedoch sollte auch bewusst gemacht werden, dass es Rassismuserfahrungen auf der einen und Privilegien des Nichterfahrens auf der anderen Seite gibt und sich somit die gesellschaftliche Position unterscheidet.
Die Übung basiert auf einem Beispiel und ist nicht dazu angelegt biographische Erfahrungen der TN in den Fokus zu stellen. Wollen einzelne TN dennoch ihre eigenen Erfahrungen mit der Gruppe teilen, so sollte sensibel damit umgegangen werden.
Durchführung:
Die TN werden gebeten sich im Raum zu verteilen und die einzelnen Abschnitte des Handouts durchzulesen. Wenn alle fertig sind, kommen sie in einen Stuhlkreis/ eine Sitzrunde zusammen und bekommen die Information von wem der Text ist und wie er heißt. Jetzt haben die TN Raum, um ihre Gedanken zu dem Gelesenen zu äußern, Nachfragen zu stellen und gemeinsam ins Gespräch zu kommen. Ziel ist es herauszufinden, in welchem Kontext der Text geschrieben wurde und welche Botschaft er sendet. Die Moderation kann ergänzen.
Leitende Diskussionsfragen können hierbei sein:
- Habt ihr alles verstanden? Habt ihr Nachfragen?
- Wisst ihr wer Oury Jalloh war und welche Taten in diskriminierender Sprache auch als “Döner-Morde” bezeichnet werden? Wisst ihr wer “besorgte Bürger*innen” sind?
- Was denkt ihr, wer den Text geschrieben hat?
- Warum wurde der Text geschrieben?
- Welche Gefühle drückt er aus?
Nach dieser Runde breitet die Moderation zwei Flipcharts aus und schreibt auf die eine das Wort „Diskriminierung“ und auf die andere „Privilegien“. Die TN werden gebeten die einzelnen Textabschnitte den jeweiligen Begriffen gemeinsam zuzuordnen und kurz ihre Gedanken dazu zu erklären. Sind alle fertig, so wird gemeinsam geschaut, ob die Zuordnung Sinn macht. Sind sich alle einig, so werden die einzelnen Textteile auf die Flipcharts geklebt. Die Moderation fragt nach, was der Unterschied zwischen Diskriminierung und Privilegien ist und um welche Art von Diskriminierung es sich hier handelt.
Die TN werden gebeten, wenn möglich, mithilfe ihrer Smartphones oder bereitgestellten Tablets auf die Seite von meinTestgelände zu gehen und sich einige selbst gewählte Videos anzuschauen. Danach haben sie die Aufgabe mithilfe der Smartphones oder Tablets selbst ein Video zu drehen, oder einen kurzen Beitrag zu verfassen, der sich mit dem Thema „Diskriminierung und Privilegien“ auseinandersetzt. Das Format ist ihnen überlassen: Es kann ein Interview mit anderen TN oder Mitarbeiter*innen der Einrichtung bzw. Menschen auf der Straße, ein Rollenspiel, ein Text, ein kurzes Statement etc. sein.
Wenn die TN das wollen, können die Videos der Onlineredaktion von meinTestgelände eingereicht werden.
Methode 02 : Unsere Reportage
Für welche Gruppe:
- für alle Geschlechter offen
- für Menschen mit und ohne Rassismuserfahrungen
- Anfänger*innen und Fortgeschrittene
- Gruppengröße ist auf 10 TN beschränkt
Zeit: 1- 2 Stunden(je nach Diskussionsbedarf)
Materialien:
- Beamer/ PC/Internet
- Bewegungsraum + Stuhlkreis
- Handout III „Die nervigsten Sprüche“
- Stifte
Vorbereitung:
Die Moderation schaut sich vorab das Video: “Top 5. Die nervigsten Sprüche für Menschen mit Migrationsvordergrund“ Top 5. Die nervigsten Sprüche für Menschen mit Migrationsvordergrund – meinTestgelaende.de (https://www.meintestgelaende.de/2016/06/top-5-die-nervigsten-sprueche-fuer-menschen-mit-migrationsvordergrund/) auf meinTestgelände an und informiert sich auf der Webseite der Heroes Duisburg: https://www.heroes-net-duisburg.de/konzept/projektbeschreibung/
Das Handout III wird einmal ausgedruckt.
Durchführung:
Die Moderation leitet das Video der Heroes Duisburg mit einer kleinen Beschreibung darüber ein, wer sie sind und was sie machen. Danach schauen sich alle TN gemeinsam ein- oder mehrmals das Video an und stellen, wenn nötig, Nachfragen.
Die Moderation erklärt, dass im Folgenden ein Rollenspiel stattfinden wird. Die TN sollen sich vorstellen, dass sie Teil der Gruppe sind, die das Video gedreht und auf youtube hochgeladen hat. Weil das Video eine große Reichweite hatte, hat sich ein Zeitungsteam angekündigt, dass eine Reportage über die Jugendlichen schreiben will. Die Reportage soll in einem bekannten Jugendmagazin und in den Sozialen Medien veröffentlicht werden. Die Jugendlichen wissen nicht, welche Fragen ihnen gestellt werden. Da es bei den Heroes Duisburg sowohl eine Jungen*, als auch eine Mädchen*gruppe gibt, kann die Gruppe gemischt sein. Die TN können sich vorab auf der meinTestgelände Seite die anderen Videos der Heroes anschauen, um ein besseres Verständnis zu bekommen, was sie machen.
Die Moderation bitten die Jugendlichen sich in zwei Gruppen aufzuteilen. Die eine Gruppe stellt die Jugendlichen dar (bis zu 8TN), die andere das Zeitungsteam (2-3 TN).
Die Moderation verteilt die Informationen des Handouts III an die jeweiligen Gruppen und lässt ihnen ca. 15 Minuten Zeit um sich zu beratschlagen, wie sie vorgehen wollen. Wenn sich die Gruppe der Jugendlichen in eine Jungen* und Mädchen*gruppe aufteilen will, so wird das Handout III an beide Gruppen einzeln ausgeteilt.
Alle TN werden gebeten sich für ihre Rolle etwas zu überlegen, dass erkennbar macht, dass sie eine andere Person spielen. Sie können sich ein anderes Kleidungsstück anlegen, ihre Stimme verstellen, ihre Haare verändern, eine Brille anziehen etc. Sind alle soweit, dann treffen die beiden Gruppen aufeinander. Das Interview sollte max. 20 Minuten dauern.
Die Moderation achtet darauf, dass trotz des Rollenspiels ein respektvoller Umgang miteinander gegeben ist und greift ein, sollte es zu diskriminierenden Vorfällen kommen.
Nach dem Spiel ist es wichtig, dass alle TN gut aus ihrer Rolle rauskommen. Dies kann durch das Ablegen der zusätzlichen Kleidung/ Gegenstände oder durch ein Abschütteln der Rolle passieren. Es folgt eine kurze Auswertung und eine Zusammenfassung, was die TN unter Rassismus verstehen.
Hier kann auch erwähnt werden, dass unterschiedliche Gruppen unterschiedlich betroffen sind z.B. auf Grund von historischen Ereignissen, es jedoch auch Gemeinsamkeiten und Überschneidungen gibt. Wichtig ist hierbei auch zu betonen, dass die sogenannte “Deutschenfeindlichkeit” nicht in den Bereich der rassistischen Diskriminierung fällt. Zwar können weiß-deutsche Menschen auch Ausgrenzungen erleben, aber im rassistischen Machtgefälle keinen Rassismus.
Sind die TN weiter interessiert, kann die Moderation erläutern, dass Menschen nicht eindimensional sind und aus vielen verschiedenen Facetten bestehen können bzw. verschiedene Erfahrungen machen was Privilegien und Ausschlüsse anbetrifft. So erfahren weiße Frauen* z.B. Sexismus, haben jedoch ein Privileg bezüglich Rassismus, können jedoch, wenn sie z.B. lesbisch sind, wiederum einen Ausschluss bezüglich Homophobie erleben usw. Wir alle haben jedoch gelernt, Menschen nicht in ihren Einzelteilen zu sehen, sondern im Ganzen – daher erfährt eine weiße Frau* im Rollstuhl beispielsweise eine Behandlung, die an alle drei Kategorien geknüpft ist. Wenn eine Person einen Ausschluss erlebt, ist es daher für sie schwer manchmal zu unterscheiden, welche Art von Diskriminierung gerade geschehen ist, oder vordergründig steht. Daher wird in diesem Zusammenhang auch von Mehrfachdiskriminierung und Intersektionalität gesprochen, da viele Faktoren ineinander übergreifen.
Methode 03 : How to be a good ally?
Für welche Gruppe:
- für alle Geschlechter offen
- für Menschen ohne Rassismuserfahrungen
- Anfänger*innen und Fortgeschrittene
- Gruppengröße ist unbeschränkt
Zeit: 1 – 2,5 Stunden (je nach Diskussionsbedarf)
Materialien:
- Beamer/ PC/Internet
- Flipchartbögen + Marker
- Zusatz: Handout IV
Vorbereitung:
Die Moderation bereitet sich thematisch auf das Thema: Allyship/ Verbündetensein vor. Dazu liest sie sich die bereitgestellten Quellen durch und erarbeitet ein Konzept vor, wie sie die Forderungen und Vorschläge, wie Allys in Hinsicht auf Rassismus handeln können, den TN näherbringen kann (z.B. auf einem Flipchart eingeteilt in Thesen). Bei der Vorbereitung kann die Moderation ihre Position bezüglich Rassismus miteinfließen lassen.
Die Moderation bereitet alles für das Schauen eines Videos vor und legt im Raum (je nach Gruppengröße) 1-6 Flipchartbögen mit Markern aus.
Durchführung:
Die Gruppe schaut sich gemeinsam das Video: “Meine Welt” von Aminta und Anita an. Meine Welt – meinTestgelaende.de (https://www.meintestgelaende.de/2016/11/meine-welt/)
Nach dem ersten Schauen können Nachfragen zum Inhalt geklärt werden.Die Gruppe wird danach in Kleingruppen mit idealerweise fünf TN pro Gruppe aufgeteilt. Jede Gruppe platziert sich um einen Flipchartbögen. Das Video wird erneut gemeinsam geschaut. Beim zweiten Schauen sollen die TN darauf achten, welche Wünsche und Forderungen in dem Video gestellt werden und diese aufschreiben. Sind alle fertig geht die Gruppe gemeinsam in eine kurze Auswertungsrunde. Fragen können dabei sein:
- Lest kurz vor welche Forderungen und Wünsche ihr gehört habt.
- Was denkt ihr, warum Aminta und Anita diese Wünsche haben.
- An wen richten sich ihre Wünsche? Richten sie sich an alle Menschen? An Menschen mit oder ohne Rassismuserfahrungen?
- Der letzte Satz lautet: “Steh’ auf, damit du ein Teil der Veränderung bist.” Überlegt kurz, was ihr allein machen könnt, um euch gegen Rassismus einzusetzen und was gemeinsam in einer Gruppe.
Die Moderation leitet nun, ausgehend vom letzten Satz, in das Thema “Allys” oder Verbündete über. Was heißt es ein*e Verbündete*r zu sein? Hier präsentiert sie auch, das von ihr ausgearbeitete Konzept und fragt, ob es dazu Nachfragen und Ergänzungen gibt. Gibt es Vorschläge von Seiten der TN was noch fehlt, oder wie sie denken, dass Menschen generell, oder sie persönlich handeln können?
Zusatz:
Haben die TN Lust das gerade vorgestellte Konzept auszuprobieren, so kann gerne diese Zusatzübung an die vorherige angeknüpft werden. Dazu zerschneidet die Moderation das Handout IV in einzelne Abschnitte. Die TN werden gebeten sich in Kleingruppen (je nach Gruppengröße von 2-5 TN/ je Kleingruppe) einzuteilen. Jede Kleingruppe bekommt einen Abschnitt. Auf diesem ist eine Situation, anlehnend an die Beschreibungen aus dem Video „Meine Welt“ zu finden, die mit einer oder mehrfacher Diskriminierung einhergeht. Die Kleingruppe berät sich wie sie als beistehende Person in dieser Situation reagieren würde. Dazu sollten mindestens 15 Minuten eingeplant werden. Die Moderation kann entscheiden, ob sie der Gruppe die Option der Zusatzübung vorschlägt oder nicht. Je nach Gruppenharmonie und bereits vorhergehenden Vorfällen von eventuell Mobbing oder Diskriminierung kann die Übung diese gegebenfalls verstärken.
Weiterführende Quellen:
Informationen zu Oury Jalloh : https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/
Informationen zu den NSU-Morden: https://www.nsu-tribunal.de/
Rassismusdefinitionen:
Auma, Maureen Maisha: Rassismus, eine Definition für die Alltagspraxis: http://raa-berlin.de/wp-content/uploads/2019/01/RAA-BERLIN-DO-RASSISMUS-EINE-DEFINITION-F%C3%9CR-DIE-ALLTAGSPRAXIS.pdf
Rommelspacher, Birgit: Was ist eigentlich Rassismus? http://www.agpolpsy.de/wp-content/uploads/2017/11/Rommelspacher-Was-ist-Rassismus.pdf
Race, Class, Gender: Magazin zu Intersektionalität: https://heimatkunde.boell.de/sites/default/files/rcg_magazin_komplett2014_10_11_1.pdf
Attia, Iman; Kenkinkilic, Ozan Z.: Rassen sind ein Produkt des Rassismus: https://www.idz-jena.de/fileadmin/user_upload/PDFS_WsD2/Rassismus_und_Rassismuserfahrung.pdf
Amadeu-Antonio-Stiftung: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/
Privilegien und Weiß-Sein:
Wollrad, Eske: Der Weißheit letzter Schluss. https://them.polylog.org/4/cwe-de.htm
Amazedmeg: Warum es keinen Rassismus gegen Weiße gibt. https://www.amazedmag.de/rassismus-gegen-weisse-erklaerung/
Hyatt, Millay: Weißsein als Privileg: https://www.deutschlandfunk.de/critical-whiteness-weisssein-als-privileg.1184.de.html?dram:article_id=315084
McIntosh, Peggy: White Privilege: Unpacking the Invisible Knapsack.
https://www.racialequitytools.org/resourcefiles/mcintosh.pdf (Englisch)
https://www.facebook.com/notes/831764843531587/?__tn__=H-R (Deutsch)
Intersektionalität
Portal Intersektionalität: Schlüsseltexte: http://portal-intersektionalitaet.de/theoriebildung/ueberblickstexte/
Crenshaw, Kimberle: Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: https://philpapers.org/archive/CREDTI.pdf (Englisch)
Ally-Sein; Verbündete
MitVergnügen: Allyship 101: Wie du ein guter Ally für Schwarze Menschen wirst. https://mitvergnuegen.com/2020/allyship-101-wie-du-ein-guter-ally-fuer-schwarze-menschen-wirst/
Edition F: How to Ally: https://editionf.com/how-to-ally/
Sojourners: For our white friends desiring to be allies: https://sojo.net/articles/our-white-friends-desiring-be-allies?fbclid=IwAR1bJ9zVKWCALix2wKp9Hq16YZcZEo7IPgTJoOx57ey8S9Zo-e4-anpF5bg (Englisch)