Der Empowerment-Ansatz richtet sich an Menschen, die jegliche Form von Diskriminierung erleben. Es geht darum, sich innerhalb der diskriminierenden Strukturen der Gesellschaft Freiräume zu schaffen, in denen ein Austausch mit anderen, die ähnlich Erlebnisse haben, möglich ist und in denen über den Umgang mit diesen Erlebnissen gesprochen werden kann.
Wenn täglich Diskriminierungen erlebt werden, so können mittels des Empowerment-Ansatzes Strategien dagegen ausgearbeitet werden, die jeweils individuell und situationsabhängig angepasst werden können. Diese können vereinzelt in Workshops ausgearbeitet werden, oder im Größeren gedacht, Teil von Vereinen und Organisationen werden.
In Bezug auf Rassismus und Sexismus sind im Laufe der Zeit z.B. Selbstaneignungen erarbeitet worden was die Sprache, Körpergefühl, oder mediale Repräsentationen betrifft. Empowerment geht stets aus den Erlebnissen und Forderungen derjenigen hervor, die die jeweilige Diskriminierungsform erleben und steht somit konträr zu der Arbeit von und mit denjenigen, die die Machtposition innerhalb der diskriminierenden Herrschaftsverhältnisse inne haben wie es z.B. beim Kritisches Weiß-Sein oder kritischer Männlichkeit/ Männerforschung der Fall ist.
Hinweis: Schutzraum
Sehr oft findet sich innerhalb der Empowermentarbeit der Ansatz des Schutzraumes wieder. Damit ist entweder ein tatsächlicher Raum gemeint (z.B. bei größeren Veranstaltungen), in den sich Menschen zurückziehen können, um gegenwärtige oder zurückliegende diskriminierende Erlebnisse zu verarbeiten, oder sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Oft sind in dem Raum Ansprechpersonen zu finden, die unterstützen können. Oft wird der Begriff des Schutzraumes auch allgemein für eine Stimmung z.B. innerhalb eines Empowerment-Workshops verwendet. Die Idee ist, dass alle, die teilnehmen, ähnliche Erfahrungen z.B. in Bezug auf Sexismus teilen und daher davor sicher sein können innerhalb des Workshops erneut Diskriminierungserfahrungen diesbezüglich machen zu müssen.
Der Begriff des Schutzraumes sollte jedoch als work in progress betrachtet werden. Da wir alle in einer Gesellschaft aufgewachsen sind, die auf unterschiedlichen Machtverhältnissen basiert, können wir nicht frei von diesen sein und auch keinen Raum schaffen, in denen es keine Diskriminierung gibt. Es kann aber das Ziel einer diskriminierungsarmen Bildungsarbeit angestrebt werden, in denen Fehlerfreundlichkeit erlaubt ist. Auch ist zu beachten, dass Menschen, die eine Diskriminierungsform teilen, mehrfachpositioniert sein können und daher mehrere Diskriminierungsformen auf einmal erleben. In einem Workshop zum Thema Sexismus, können beispielsweise TN sitzen, die Erfahrungen mit Rassismus, Homophobie, Transphobie, sogenannter Behinderung, chronischen Krankheiten, Klassismus etc, machen und sich daher unterscheiden, wie sie Sexismus erleben.
Hinweis:
Langanhaltende, begleitende Empowermentarbeit
Sich selbst oder andere zu empowern ist ein lebenslanger Prozess. Während einzelne und einmalige Empowerment-Einheiten anregen können sich tiefer mit der Thematik auseinanderzusetzen, ist eine länger anhaltende Arbeit zu empfehlen. Wenn die TN daran interessiert sind, können regelmäßige Treffen mit der Gruppe eingeplant werden, in denen eine kontinuierliche Begleitung vorhanden ist. Allein das Erzählen der eigenen Erlebnisse ist für viele hilfreich. Eventuell können andere Unterstützungen einhergehen wie Theaterübungen und Rollenspiele, um sich auf alltägliche Situationen besser vorzubereiten, oder der Besuch anderer Vereine und Organisationen, die sich thematisch damit befassen.
Ziele
- TN bekommen einen Raum, um über Erlebnisse mit Sexismus und Rassismus zu sprechen
- TN werden darin bestärkt besser ihre Grenzen kennenzulernen
- TN lernen mit schwierigen Situationen besser umgehen zu können
- TN lernen die Biografien anderer Menschen kennen, die Diskriminierungen erleben, und erfahren, wie diese damit umgehen
Methode 01: Schau dich an
Für welche Gruppe:
- für Mädchen* mit Rassismuserfahrungen/ mit Migrationserfahrungen
- ab 14+ Jahren geeignet
- Gruppengröße: bis 15 TN
Trainer*in/Moderator*in: Da es hier um den Austausch der eigenen Erfahrungen mit Sexismus, Rassismus/ den eigenen Migrationserfahrungen gehen wird, sollte die Trainer*in über persönliche Erfahrungen diesbezüglich verfügen.
Zeit: 2 -3 Stunden(je nach Gruppengröße und Diskussionsbedarf)
Materialien:
- Stuhlkreis + Beamer/Laptop
- Transkript des Videos: Pick me up Poem
- Handout: Empowerment – Eigene Reflektion
- Papier, Moderationskarten + Scheren, Kleber + Stifte
Vorbereitung:
Falls nicht bereits geschehen, liest sich die Moderation anhand des Modul I in das Themengebiet Rassismus ein und arbeitet heraus, inwieweit Rassismus mit Macht und Struktur verbunden ist. Empfehlenswerte Bücher und Links sind am Anfang des Moduls zu finden. Auch ist es empfehlenswert das Handout: Eigene Reflektion aus demselben Modul zu bearbeiten. Zusätzlich schaut sich die Moderation die empfohlenen Quellen zu diesem Modul an. Die Moderation malt vorab, anhand der Durchführung, eine Kurve und markiert ein Ereignis in ihrem Leben. Danach füllt sie das Handout: Empowerment- Eigene Reflektion aus.
Das Transkript des Videos: Pick me up Poem wird für alle TN ausgedruckt.
Durchführung:
Bevor über persönliche und biographische Ereignisse gesprochen wird, sollte eine kleine Aufwärmrunde gemacht werden. Es eignen sich Übungen, wie z.B. „Die Geschichte meines Namens“. Dabei erzählen alle TN nacheinander, woher ihr Name kommt, wer ihn ihnen gegeben hat und ob sie wissen, was er bedeutet. Die Moderation kann als erste anfangen, wenn sich keine* TN traut.
Danach wird gemeinsam das Video: Pick me up Poem geschaut. Das Video befindet sich in der Langversion Poetry-Slam-Text: Pick Me Up Poem – meinTestgelaende.de (https://www.meintestgelaende.de/2016/05/poetry-slam-text-pick-me-up-poem/) oder auch in der Kurzversion https://www.meintestgelaende.de/2018/03/pick-me-up-poem/ auf meinTestgelände Für die Kurzversion ist ein Transkript vorhanden, dass die Moderation an alle austeilen kann. Alle TN haben nach dem Schauen kurz Zeit, um Verständnisfragen zu stellen.
Im zweiten Schritt teilt die Moderation pro TN ein Papier aus und legt Moderationskarten, Scheren, Kleber und Stifte in die Mitte des Raumes. Die TN haben jetzt die Aufgabe auf das Papier einen Bogen/eine Kurve zu malen, die ihr bisherigen Leben darstellt. Am Anfang des Bogens/ der Kurve wird das Geburtsjahr geschrieben. Danach markieren alle ein Ereignis in ihrem Leben, auf das das Gedicht: Pick me up Poem zutrifft und schreiben ein-zwei Wörter/Sätze dazu. Die Moderation lässt offen, um welche Art von Ereignis es sich handelt, auch ob es ein positives, oder negatives ist. Die TN müssen sich auch nicht mit dem gesamten Gedicht identifizieren, es kann auch nur eine Passage, oder eine Zeile zutreffen.
Am Ende der Kurve notieren die TN, wie sie sich verhalten würden, sollte so ein Ereignis noch einmal in der Zukunft passieren. Würde sie sich ähnlich verhalten? Was würden sie verändern? Die Moderationskarten können genutzt werden, um das Ereignis, oder die Kurve kreativ zu untermalen.
Sind alle fertig, so geht es wieder zurück in die Runde zum Austausch. Es sollte genügend Zeit dazu eingeplant werden, so dass alle TN mindestens 10 Minuten für die Vorstellung ihrer Kurve haben.
Die Moderation fragt bei Bedarf nach:
- Wie hast du dich gefühlt, als das Ereignis passiert ist?
- Waren noch andere Menschen dabei?
- Inwieweit ist das Gedicht damit verbunden? Was daran erinnert dich an das Ereignis?
- Wie würdest du dich heute verhalten? Was bräuchtest du?
Methode 02: Was ich nicht mehr hören will
Für welche Gruppe:
- für Mädchen* mit Rassismuserfahrungen/ mit Migrationserfahrungen
- ab 14+ Jahren geeignet
- Gruppengröße: bis 15 TN
Trainer*in/Moderator*in: Da es hier um den Austausch der eigenen Erfahrungen mit Sexismus, Rassismus/ den eigenen Migrationserfahrungen gehen wird, sollte die Trainer*in über persönliche Erfahrungen diesbezüglich verfügen.
Zeit: 2 -3 Stunden(je nach Gruppengröße, Diskussionsbedarf und Durchhaltevermögen)
Materialien:
- Stuhlkreis + Beamer/Laptop
- Handouts: Was ich nicht mehr hören will + Tone Policing
- Moderationskarten + Stifte
Vorbereitung: Die Moderation schaut sich den Spoken-Word Beitrag von Svenja Gräfen „Ich diskutiere nicht mehr“ an Ich diskutiere nicht mehr! – meinTestgelaende.de (https://www.meintestgelaende.de/2018/06/ich-diskutiere-nicht-mehr/) und beantwortet für sich die folgenden Fragen:
- Was sind meine ersten Gedanken, nach dem Schauen?
- Warum ist es manchmal gut, nicht alles auszudiskutieren?
- Gibt es Ereignisse in meinem Leben, die ich mit dem Inhalt des Spoken-Word Beitrags verbinde?
- Was habe ich damals gut gemacht?
- Welche Schwierigkeiten hatte ich?
Die Moderation schaut sich vorab das Video: “Statements gegen Sexismus und Rassismus” #gelände2016 Theater Workshop – Statements – meinTestgelaende.de (https://www.meintestgelaende.de/2017/04/gelaende2016-theater-workshop-statements/) auf meinTestgelände an. Das Handout „Was ich nicht mehr hören will“ wird für alle TN ausgedruckt.
Durchführung:
Die Moderation leitet das Video ein und bittet die TN genau hinzuhören. Das Video kann auch mehrmals geschaut werden. Danach füllen alle TN das Handout: „Was ich nicht mehr hören will“ für sich aus. Es sollten mindestens 20 Minuten eingeplant werden. Sind alle fertig, so folgt die Auswertung in der Gesamtgruppe. Dazu stellen sich alle TN auf und bilden in der Mitte des Raumes einen inneren und einen äußeren Kreis. Die Anzahl der TN sollte in beiden Kreisen gleich sein. Ist sie es nicht, so macht die Moderation mit. Es stehen sich jeweils zwei TN gegenüber und lesen sich nacheinander die Antwort auf ihre ersten Fragen vor. Nachfragen sind erlaubt. Nach ca. 5 Minuten bewegt sich der innere Kreis um einen Platz weiter. Jetzt lesen sich die TN die zweite Frage vor. So geht es weiter, bis alle Fragen durch sind. Handelt es sich um eine größere Gruppe, können die Fragen mehrmals ausgetauscht werden, solange sich TN gegenüberstehen, die sich noch nicht gegenüberstanden.
Sind alle fertig, dann bittet die Moderation die TN ein oder zwei Statements auszuwählen, die sie persönlich nie wieder hören wollen. Diese sollen sie auf Moderationskarten sammeln. In die Mitte des Raumes wird ein Mülleimer/ eine Tüte etc. gestellt. Alle TN lesen ihre Statements nacheinander vor, zerreißen diese dann symbolisch und entsorgen sie in den Eimer.
Es folgt eine zweite Runde, in der die TN auf eine weitere Moderationskarte schreiben, was sie sagen, oder machen könnten, wenn doch wieder solche, oder ähnliche Statements gegen sie gerichtet werden. Auch diese werden nacheinander vorgelesen. Alle TN behalten ihre Moderationskarten und können sie mitnehmen. Fällt einer* TN nichts ein, oder braucht sie Unterstützung und weitere Ideen, so können die anderen TN aushelfen.
Zusatz:
Haben die TN Lust sich noch ein wenig danach zu bewegen, so kann die Übung „NEIN“ durchgeführt werden. Dazu liest die Moderation zunächst den Text von Svenja Gräfen „Was ist eigentlich Tone Policing?“ laut vor. Was ist eigentlich Tone Policing? – meinTestgelaende.de (https://www.meintestgelaende.de/2020/03/was-ist-eigentlich-tone-policing/) Dieser ist auch auf einem Handout zu finden. Je nach Aufnahme- und Konzentrationsfähigkeit der Gruppe kann der Text auch in einer gekürzten Version vorgelesen werden. Danach erklärt die Moderation, dass Svenja Gräfen in ihrem Text beschreibt, dass oft diejenigen, die sprachliche Gewalt erfahren, wie z.B. anhand der Statements, die vorher besprochen wurden, gebeten werden ihre Gefühle (wie Enttäuschung, Verletzung) nicht auszudrücken, oder es netter zu formulieren. Das beides in Momenten von Wut und Verletzung nicht möglich ist bzw. auch nicht angebracht ist, ist verständlich. Eine Person, die gerade verletzt wurde, darum zu beten netter zu sein, ist auch absurd. Oft werden Mädchen* ohnehin gebeten, netter zu sein, oder ihnen wird vorgeworfen, alles gleich emotional zu empfinden und zu formulieren. Besonders Mädchen* of Color. Fakt ist: Wenn eine Verletzung vorliegt, dann ist das nicht die Schuld der verletzten Person, egal wie sie reagiert.
Manchmal ist es schwer die passenden Worte zu finden, um zu kontern. Das soll hier geübt werden. Dazu stellen sich die TN auf und verteilen sich so im Raum, dass sich je zwei TN gegenüberstehen. Die Moderation erklärt, dass wenn manchmal die Worte fehlen, es auch ausreicht, einfach nur „NEIN“ zu sagen und tief durchzuatmen. Das ermöglicht eine kurze Nachdenkpause und setzt der anderen Person ein klares Zeichen, dass etwas falsch gelaufen ist. Die TN können jetzt üben, wie es ist laut „NEIN“ zu sagen. Zunächst sagen alle zusammen dreimal hintereinander laut „NEIN“. Sollten die TN sich nicht trauen, kann die Moderation das vormachen und sie dazu animieren lauter zu werden. Danach geht jeweils eine* der TN auf die andere* zu. Diejenige*, die an ihrem Platz geblieben ist, atmet kurz durch und sagt, wenn sie merkt, dass die andere* TN ihr zu nah kommt laut „NEIN“. Die andere* TN muss dann stehen bleiben. Danach wechseln beide TN die Rolle. Das sollte mehrmals wiederholt werden. Gerne können auch andere Phrasen verwendet werden, wie z.B. „Das will ich nicht mehr hören“.
Danach kann kurz ausgewertet werden:
- Wie war diese Übung für euch?
- Ist es euch leicht, oder schwer gefallen „NEIN“ zu sagen?
- Wenn es schwer war, warum war das so?
- Warum fällt es vielen Mädchen* schwer laut zu sein, zu widersprechen, oder „NEIN“ zu sagen?
Weiterführende Quellen
Rosenstreich, Gabriele: Empowerment und Powersharing – Eine Einführung. In: IDA-NRW. Allianzen bilden in der Migrationsgesellschaft. Ausgabe 2/2018.
https://www.ida-nrw.de/fileadmin/user_upload/ueberblick/Ueberblick_022018.pdf
Heinrich-Böll Stiftung: Heimatkunde. Dossier Empowerment.
https://heimatkunde.boell.de/de/dossier-empowerment
Kubinaut: Augenhöhe und Empowerment: Wie geht das?
https://www.kubinaut.de/de/themen/9-kontext-asyl/augenhohe-empowerment-wie-geht-das/