Als Pädagog*innen sind wir nicht vor Verunsicherung und verletzendem Verhalten gefeit. Selbstreflexion ist der Schlüssel für eine wertschätzende Arbeit.
Unser eigenes Gefühl für unser im-eigenen-Geschlecht-Sein und für das jeweils stimmige Verhalten stehen in enger Verbindung zu unserer Wahrnehmung der Situation, des jeweiligen Gegenübers und zu unserem Handeln. Für die Arbeit mit trans* Jugendlichen ist es wichtig, dass wir unser Wissen überprüfen und unsere Haltung/Position finden.
FaulenzA und Lena Stoehrfaktor beschreiben in ihrem Song „Frag mich nicht“ auf meinTestgelände, welche Fragen sie verletzen und sie garantiert nicht hören wollen, auch nicht von Pädagog*innen:
Bevor Sie in die Arbeit mit trans* Jugendlichen einsteigen, stellen Sie sich bitte folgende Fragen:
- Was bedeutet es für Sie als erwachsene Frau*, erwachsener Mann*, als trans* Person, inter* Person oder non-binary Person, wenn Sie Ihr Gegenüber nicht eindeutig geschlechtlich zuordnen können? Was verändert sich? An Ihrem Selbstbild als Geschlechtswesen? An Ihrem Verhalten (z.B. hinsichtlich Kommunikation, Führung/Durchsetzung, Hilfestellung geben etc.)?
- Was würde sich in Ihrer Arbeit und Ihrem Leben ändern, wenn es keine Einteilung in Mädchen/Frauen und Jungen/Männern geben würde? Was würde schwerer? Was würde leichter?
- Sind Sie vertraut mit Menschen, die – welche auch immer – Uneindeutigkeiten in der Geschlechterpräsentation oder –positionierung aufweisen?
- Was wissen Sie über trans* Sein, kennen Sie bereits trans* Personen?
- Gibt es konzeptionelle Hinweise auf die Arbeit mit trans* Jugendlichen in ihrer Organisation/Einrichtung?
- Was würde es für Ihre pädagogische Arbeit mit Jugendlichen bedeuten, wenn Geschlecht keine Rolle spielen würde? Nach welchen Kriterien würden Sie z.B. Gruppen einteilen, Aufgaben verteilen oder Angebote konzipieren?
Als Pädagog*innen sind wir zudem in der Verantwortung gegenüber den (Kindern und) Jugendlichen, mit denen wir arbeiten.
Transidentente Jugendliche wollen sich – wie jeder Mensch – angenommen und dazugehörig fühlen. Wenn wir darauf beharren, dass dies nur über die eindeutige Zuordnung zu Mädchen/Frauen bzw. Jungen/Männern möglich sei, stellen wir ihnen gewissermaßen den „Stuhl vor die Tür“. Wir schließen sie aus.
Auf der anderen Seite steht „die Gruppe“ von Kindern und Jugendlichen, die in der Mehrzahl ebenfalls mit der heteronormativen Kategorisierung (weiblich/männlich) aufgewachsen sind. Auch für sie geht „Uneindeutigkeit“ oft mit Verunsicherung und (anfänglicher) Abwehr einher. Geringschätzung, Ausschluss, oder gar Mobbing und physische Gewalt stellen destruktive Bewältigungsstrategien für Gefühle der Orientierungs- und Hilflosigkeit in einer komplexen Welt dar. Der*/die* So-Andere wird zum Sinnbild des Falschen, Unpassenden, Schwachen und damit Angreifbaren.
Hier müssen wir einerseits klar Position beziehen – gegen Ausgrenzung und Gewalt – und andererseits Wege finden, Jugendliche mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Erfahrungen, Lebens-, Denk- und Fühlweisen „abzuholen“, miteinander ins Gespräch zu bringen und einen Entwicklungsraum zu bieten.
Mehr von FaulenzA:
https://www.meintestgelaende.de/author/faulenza/
https://www.youtube.com/user/AutonomeMaus
1 Vgl. Grimm (2019) -Grimm, Sabine: Mutter-Tochter-Gespräch am Frühstückstisch – Von den Schwierigkeiten im Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt. In: DAJEB: Beratung als Profession. Ausgabe 3 / 2019. S. 5f. Ort: https://www.dajeb.de/fileadmin/dokumente/04-publikationen/beratung-als-profession/beratung-als-profession-2019-3.pdf – aufgerufen am 25.11.2020